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Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)

Titel: Irondead: Der zehnte Kreis (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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als hätte ich Angst, die Glut der Zigarre könnte den ganzen Kanal in Brand setzen, statt in seinem Wasser zu ersticken. So etwas war schon vorgekommen.
    Wenn es denn Wasser war, das da träge vor meinen Schuhspitzen schwappte. Nicht einmal dessen war ich mir ganz sicher, denn weder sah es wie Wasser aus, noch bewegte es sich wie solches, von dem Geruch ganz zu schweigen. Die Brühe war nicht einmal klar oder hatte wenigstens den Anstand, wie moderndes Abwasser oder Jauche auszusehen, sondern schillerte in widerwärtigen grünblauen Schlieren, und da und dort stiegen Blasen an die Oberfläche, um mit einem ekelhaften Geräusch zu platzen und dabei einen Schwall noch viel ekelhafteren Gestanks freizusetzen – den der Wind natürlich genau in meine Richtung trug, und zwar ganz gleich, woher er wehte und wo am Ufer ich gerade stand.
    Spätestens jetzt, gestand ich mir ein, begannen meine Gedanken endgültig in gefährliche Gefilde abzugleiten. Aber in einem Moment wie diesem konnte ich mir eine solch kleine Schwäche wohl leisten.
    Vorsichtige Schritte näherten sich, und das Gefühl, beobachtet zu werden, wurde noch einmal um Etliches unangenehmer. Doch statt mich sofort umzudrehen, griff ich betont langsam in die Jackentasche und nahm eine weitere Zigarre heraus, um sie in aller Seelenruhe anzuzünden. Selbst der Rauch schmeckte inzwischen faul.
    »Sind Sie Devlin?«
    Ich nahm einen zweiten, noch tieferen Zug und behielt den Rauch so lange in den Lungen, bis mir leicht schwindelig zu werden begann. Betont langsam – und mit der Linken wie zufällig den Griff meines Revolvers berührend – drehte ich mich um und erlebte eine Überraschung: Die Gestalt war eine gute Handspanne kleiner als ich und konnte nicht einmal die Hälfte meines Gewichts auf die Waage bringen. Auf den zweiten Blick war ich nicht einmal mehr ganz sicher, ob es schon ein Mann war oder noch ein Junge. Auf jeden Fall war er noch sehr jung.
    Statt zu antworten, zog ich lediglich fragend die rechte Augenbraue hoch.
    »Sind Sie Constabler Devlin?«, erkundigte sich der Junge noch einmal.
    Es war lange her, dass mich jemand so genannt hatte, und auch wenn ich zum Schluss meiner Karriere für kurze Zeit Inspektor gewesen war, bevor man mich wieder degradiert hatte, weckte das Constabler Devlin die lebhaftesten Erinnerungen an meine nicht ganz glücklich verlaufene Polizeilaufbahn. Ich nickte knapp. »Und du?«
    »Mister Jacobs schickt mich«, sagte der Junge. »Ich soll Ihnen was geben.«
    Ich nahm immerhin die Hand von der Waffe – schon weil mir alles andere lächerlich vorgekommen wäre –, legte aber nur den Kopf auf die Seite und bemühte mich um einen fragenden Blick.
    »Ich bin Chip.« Der Junge lächelte verschlagen. »Jacobs hat gesagt, dass Sie mich bezahlen.«
    Ich antwortete erneut mit einem Nicken, was zugleich aber auch schon meine ganze Reaktion auf diese unverschämte Forderung war und auch bleiben würde. Ich würde ganz gewiss niemanden für irgendetwas bezahlen, bevor ich nicht selbst bezahlt worden war. Falls dieser unverschämte Bengel nicht ohnehin log, um mich zu übervorteilen.
    Was offensichtlich der Fall war, denn nach einigen weiteren Augenblicken scharrte er unbehaglich mit den Füßen und griff dann unter seine Jacke, um einen schmalen Briefumschlag aus der Innentasche zu ziehen. Mir fiel nicht nur auf, wie schmutzig seine Finger waren, sondern auch, dass seine Jacke mindestens eine Nummer zu groß war, wenn nicht mehr. Vermutlich gestohlen, wie auch seine übrigen Kleider. Aber das ging mich nichts an.
    »Das hat er mir gegeben«, sagte er, als er mir mit einer zögerlichen Bewegung den Brief überreichte. »Und gesagt, dass ich einen Sixpence bekomme.«
    Ich ignorierte auch diesen zweiten und schon deutlich weniger subtilen Versuch, mir ein bisschen Geld abzuluchsen, riss den Umschlag auf und las:
    Mein lieber Mister Devlin,
    alles hat sich inzwischen aufgeklärt und mein Verdacht sich gottlob als unbegründet erwiesen, sodass ich Ihre Dienste nicht mehr länger benötige. Einen Betrag in Höhe des vereinbarten Honorars habe ich bereits auf Ihr Konto angewiesen.
    Bitte verzeihen Sie, dass ich Ihre Zeit unnötig in Anspruch genommen habe.
    Mit den besten Wünschen
    Ihr Stanley Jacobs
    Ich starrte den Brief an, überflog ihn ein zweites Mal, starrte erneut auf die ebenso winzige wie akribische Handschrift und las ihn dann noch ein drittes Mal.
    »Irgendwas nicht in Ordnung?«, wollte Chip wissen.
    Mir war nicht klar, was
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