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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit
Autoren: Cordwainer Smith
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war wie ein Fisch, der in stehendem frischem Wasser geschlüpft war und zum ersten Mal in einen dahinfließenden Strom geworfen wurde. Er war wie ein Insekt, das sich entpuppte. Sein vom zwanzigsten Jahrhundert geprägtes Bewußtsein konnte dem Anblick und der Wirkung der Musik und des Tanzes nicht standhalten.
    Aber die Nadel war noch da, und die Nadel übertrug mehr in seinen Geist, als sein Geist ertragen konnte.
    Die Synapsen seines Gehirns klickten wie Schalter. Die Zukunft überflutete ihn.
    Er wurde bleich. Cherpas sprang nach vorn und entfernte die Nadel. Rogow fiel aus dem Sessel.
     
5
     
    Es war Gauck, der die Ärzte holte. Bei Einbruch der Nacht hatten sie Rogow bequem untergebracht und ihn unter große Dosen Sedativa gesetzt. Es waren zwei Ärzte, und beide stammten aus dem militärischen Hauptquartier. Gauck hatte sich ihrer Hilfe durch ein direktes Telefongespräch mit Moskau versichert.
    Beide Ärzte waren verärgert. Der Ältere hörte nicht auf, Cherpas Vorwürfe zu machen.
    »Du hättest das niemals tun dürfen, Genossin Cherpas. Auch Genosse Rogow hätte das niemals wagen sollen. Man kann nicht hergehen und irgendwelche Geräte in ein Gehirn bohren. Das ist ein medizinisches Problem. Niemand von euch ist medizinisch ausgebildet. Es geht in Ordnung, wenn ihr eure Entwicklungen an Häftlingen testet, aber ihr könnt derartige Dinge nicht mit sowjetischem wissenschaftlichem Personal anstellen. Man wird mir die Schuld geben, weil ich Rogow nicht zurückbringen kann. Du hast gehört, was er sagt. Nur ein Gemurmel von: Diese goldene Gestalt auf diesen goldenen Stufen, diese Musik, dieses Ich ist ein wahres Ich, diese goldene Gestalt, diese goldene Gestalt, ich will bei dieser goldenen Gestalt sein und noch mehr von diesem Zeug. Vielleicht habt ihr für immer ein hervorragendes Gehirn zerstört …« Er verstummte, als hätte er bereits zuviel gesagt. Schließlich handelte es sich bei diesem Problem um ein Sicherheitsproblem, und offensichtlich repräsentierten Gauck und Gausgofer die Sicherheitsbehörden.
    Gausgofer wandte dem Arzt ihre wäßrigen Augen zu und sagte mit leiser, flacher, unbeschreiblich giftiger Stimme: »Könnte sie dafür verantwortlich sein, Genosse Doktor?«
    Der Arzt sah Cherpas an und sagte zu Gausgofer: »Wie? Du bist dabeigewesen. Ich nicht. Wie hätte sie das tun können? Warum hätte sie das tun sollen? Du bist dabeigewesen.«
    Cherpas sagte nichts. Ihre Lippen waren vor Kummer fest zusammengepreßt. Ihr blondes Haar glänzte, aber in diesem Moment war ihr Haar alles, was von ihrer Schönheit verblieb. Sie fürchtete sich, und sie begann Trauer zu empfinden. Sie hatte keine Zeit, um närrische Frauen zu hassen oder sich um den Sicherheitsdienst Sorgen zu machen; sie grämte sich um ihren Kollegen, ihren Geliebten, ihren Gemahl Rogow.
    Sie konnten nichts anderes tun als zu warten. Sie begaben sich in ein großes Zimmer und versuchten zu essen.
    Die Bediensteten hatten riesige Platten voll kaltem geschnittenem Fleisch, Schüsseln voller Kaviar und ein Sortiment Schnittbrot, frische Butter, echten Kaffee und Liköre vorbereitet.
    Keiner von ihnen aß viel.
    Sie alle warteten.
    Um neun Uhr fünfzehn dröhnte der Lärm von Rotoren über dem Haus.
    Der große Helikopter aus Moskau war eingetroffen.
    Höhere Stellen hatten übernommen.
     
6
     
    Zu diesen höheren Stellen gehörte ein Stellvertretender Minister, ein Mann mit dem Namen V. Karper.
    Karper wurde von zwei oder drei uniformierten Obersten, einem Ingenieur in Zivil, einem Mann aus der Zentrale der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und zwei Ärzten begleitet.
    Sie hielten sich nicht mit Höflichkeitsfloskeln auf. Karper sagte lediglich: »Du bist Cherpas. Ich habe dich schon einmal getroffen. Du bist Gausgofer. Ich habe deine Berichte gelesen. Du bist Gauck.«
    Die Delegation betrat Rogows Schlafzimmer. Karper schnappte: »Weckt ihn auf.«
    Der Militärarzt, der ihm die Sedativa verabreicht hatte, wandte ein: »Genosse, du kannst nicht …«
    Karper schnitt ihm das Wort ab. »Sei still.« Er drehte sich zu seinem eigenen Arzt herum und deutete auf Rogow. »Weck ihn auf.«
    Der Arzt aus Moskau sprach kurz mit dem älteren Militärarzt. Auch er begann den Kopf zu schütteln. Er warf Karper einen verstörten Blick zu. Karper wußte, was er hören wollte. »Mach weiter«, sagte Karper. »Ich weiß, daß er in Gefahr schwebt, aber ich brauche einen Bericht für Moskau.«
    Die beiden Ärzte machten sich an Rogow zu
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