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Inspektor Jury steht im Regen

Inspektor Jury steht im Regen

Titel: Inspektor Jury steht im Regen
Autoren: Martha Grimes
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Wahrscheinlich hätte er das eine oder andere von Sergeant Wiggins’ Heilmitteln gut gebrauchen können, doch Jury hatte Wiggins in die Wohnung in Bayswater geschickt.
    «Also, fragen Sie weiter.» Seine Stimme drang gedämpft unter dem Lappen hervor.
    «Mr. Marr, meinen Sie nicht, wir sollten uns von Angesicht zu Angesicht unterhalten? Es wäre zumindest hilfreich.»
    Seufzend sagte er: «Damit Sie feine Veränderungen meines Gesichtsausdrucks verfolgen können, die meine Schuld beweisen?» Der Lappen, den er jetzt widerwillig wegzog, hob und senkte sich beim Atmen. «Nicht, daß ich zuviel getrunken hätte, aber dummerweise hab ich Dogbolter im Ferret and Firkin getrunken. Bruce’s Brewery, mein Lieber. Ich hatte eine kleine Zechtour hinter mir, ehe ich Ivy traf.» Er ließ den Waschlappen auf einen kleinen Tisch fallen und nahm die letzte Zigarette aus einem schwarzen Emailleetui. «Ich bin ein gefühlloser Grobian, nicht wahr?»
    Jury lächelte. «Wenn Sie meinen. Glauben Sie, ich halte Sie für schuldig?» Jury zündete sich eine seiner eigenen Zigaretten an.
    Marr musterte Jury mit einem grimmigen Lächeln. «Ihren Fragen ist zu entnehmen, daß Sie die naheliegendste Lösung ausschließen, daß die arme Ivy nämlich von irgendeinem Ganoven überfallen wurde.» Er wandte sich ab und sah zum Fenster hinüber, wo die Dunkelheit kurz vor der Dämmerung noch so schwarz war wie der Lack des Feuerzeugs, das er in den Fingern hielt. «Ist sie vergewaltigt worden?»
    «Das weiß ich noch nicht.» Jury sah die Leiche vor sich, eine blaßblaue Erhebung auf der nassen Straße. «Ich glaube nicht. Wären Sie so freundlich, mir zu erzählen, was im Pub passiert ist?»
    Marr rubbelte sich die Haare mit dem Lappen und betrachtete dann das Ende seiner Zigarette mit einer Gleichgültigkeit, die Jury für gespielt hielt.
    «Wir haben uns gestritten. Sie war wütend und wollte sich nicht von mir nach Hause bringen lassen.» Er sah Jury an. «Normalerweise laß ich Frauen nicht in Kneipeneingängen stehen.» Er zuckte die Achseln. «Ivy kann wahnsinnig stur sein. Auch wenn sie wirklich nicht so aussieht mit ihren sanften, blauen Augen und dem wunderschönen Haar. Eigentlich hab ich für Auseinandersetzungen mit Frauen nichts übrig. Lohnt sich nicht.»
    «Worüber haben Sie sich gestritten, Mr. Marr?»
    «Geld, Heiraten, na ja, solche Sachen. Aus irgendeinem Grund wollte Ivy mich heiraten, das arme Ding.»
    «Zumindest ein Grund ist doch wohl ziemlich offensichtlich: Sie bewegen sich in sehr viel höheren gesellschaftlichen Kreisen als Ivy, stelle ich mir vor.»
    David Marr öffnete ein Auge. «Woraus schließen Sie das?»
    Die Frage war ziemlich naiv. Jury lächelte. «Ich war in ihrer Wohnung.»
    «In Bayswater?»
    «Mile End. Im Haus der Eltern. Sie haben mir Ihren Namen genannt.»
    Er runzelte die Stirn. «Sie hat nur ganz selten von ihnen gesprochen. Hatte wohl nicht viel Familiensinn, die Ivy.»
    «Aber Sie waren doch verlobt.»
    Marr sagte nichts, legte die Hand über die Augen, als hielte er nach etwas Ausschau, als verfolge er den Prozeß des Hellerwerdens vor dem Fenster. «Haben die Eltern Ihnen das erzählt?»
    «Ihre Tochter hat es ihnen erzählt.»
    Marr preßte sich jetzt die Hand an den Kopf, als müsse er ihn festhalten, stemmte sich aus dem Ohrensessel hoch und näherte sich einem Tisch aus Rosenholz. Er hielt sich eine Flasche Remy wie eine riesige Muschel ans Ohr, schüttelte sie und stellte sie stirnrunzelnd wieder hin. Dann musterte er die verbliebenen drei oder vier Zentimeter in einer Glenfiddich-Flasche, sah zu Jury hinüber und hielt sie, wenn auch nicht gerade einladend, in die Höhe.
    «Noch zu früh für mich, danke, oder zu spät, je nachdem, wie man es nimmt.»
    Marr goß sich die vier Zentimeter in ein Glas. «Ich versuche, nicht daran zu denken. Wenn man einen Frosch verschlucken will, soll man ihn besser nicht zu lange anstarren, wie man so sagt. Mein Kopf bringt mich noch um.» Er kippte den Whisky hinunter und band sich wieder den Morgenmantel zu. «Vielleicht bin ich ein ungehobelter Kerl, heruntergekommen und verdorben, was auch immer. Aber verlobt war ich nicht. Ob diese spezielle Information wichtig für Ihre Nachforschungen ist, weiß ich nicht. Aber ich gebe Ihnen mein Wort darauf. Was immer sie ihren Freunden, Eltern und Kollegen auch erzählt hat, ich hatte nicht vor, Ivy zu heiraten.» Er sank wieder in den Sessel und zündete sich noch mal die Zigarette an.
    «Welcher Art war denn
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