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Ins Eis: Roman (German Edition)

Ins Eis: Roman (German Edition)

Titel: Ins Eis: Roman (German Edition)
Autoren: Karen Nieberg
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einhundertsiebzig Norwegischen Kronen. Mithilfe seiner Ersparnisse aus der Minenarbeit finanzierte Fredrik in den sechziger Jahren ein Ingenieursstudium, heiratete ein Mädchen aus Bergen und zog mit seiner jungen Ehefrau in die Dachgeschosswohnung im Haus der gut situierten Schwiegereltern. In Bergen machte der junge Ingenieur, ehrgeizig, diszipliniert und mit guten Manieren und einem gewinnenden Äußeren ausgestattet, schnell Karriere. Es folgten die Geburten seiner beiden Söhne, Erland und Kristoffer. 1975 kam er einem lukrativen Angebot seines alten Arbeitgebers Store Norske nach und kehrte nach Spitzbergen zurück. Er war jetzt kein gewöhnlicher Arbeiter mehr, sondern leitender Ingenieur. Seine Familie sah er in dieser Zeit oft monatelang überhaupt nicht. Als Fredrik 1981 Store Norske und Spitzbergen endgültig verließ, war Erland, sein ältester Sohn, gerade sechzehn Jahre alt geworden.
    In Bergen übernahm Fredrik die Verkaufsleitung in der Firma seiner Schwiegerfamilie; eine Arbeit, für die er sich in langen Nächten am Schreibtisch weitgehende Kenntnisse in Finanzen, Buchführung und Handelsgesetzen aneignete. Ein Jahr später starb seine Frau unvermittelt an einer Lungenembolie. Fredriks Schwager, dessen Wunsch es war, die Firma einmal ganz in die Hände seiner eigenen Söhne zu geben, kaufte dem jungen Witwer die geerbten Firmenanteile ab. Üppig ausbezahlt, zwei widerstrebende Söhne im Schlepptau, emigrierte Fredrik 1983 nach Deutschland, wo ihm im Ruhrgebiet eine leitende Stelle im Kohlebergbau angeboten worden war. Zwei Jahre später bereits saß Fredrik im Vorstand des Unternehmens. Auf der Geburtstagsfeier eines Aufsichtsratsmitglieds lernte er Elisabeth Sophie Franziska Warthenberg kennen. Sie war dreiundzwanzig, als sie heirateten. Elisabeth entstammte einer alteingesessenen und angesehenen Bankiersfamilie; ihr Vater, zehn Jahre älter als Fredrik, sorgte noch vor der Hochzeit dafür, dass sein vielversprechender Schwiegersohn in die Familienbank wechselte. Der Börsencrash im Oktober 1989 wurde zu Fredriks großer Stunde: Seine Begabung im Umgang mit Menschen – Kunden, Gläubigern, aber vor allem mit Mitarbeitern – ließ diese weiter an die Leistungsfähigkeit der ins Wanken gekommenen Bank glauben. Dank Fredriks Energie und Überzeugungskraft blieben alle Angestellten und Gesellschafter im Boot bis auf zwei Abteilungsleiter, deren Ausscheiden Fredrik forcierte. Ihr Abgang sollte seinen Weg in der Bank endgültig freimachen. In einem zweiten Coup übernahm Fredrik direkt nach dem Crash Anteile eines institutionellen Gesellschafters, später ließ sich Elisabeths Vater von ihm überreden, sich in Zukunft auf die Vermögensverwaltung und das Kerngeschäft mit institutionellen Kunden und großen Privatkunden zu spezialisieren, sich eine eigene Researchabteilung zu leisten und mit dieser verstärkt ins Investmentgeschäft einzusteigen. Fredrik selbst, der in der Krise sein eigenes Vermögen in die Waagschale geworfen hatte, sollte für seinen Mut fürstlich belohnt werden: Vier Jahre nach jenem stürmischen Herbst rückte er als persönlich haftender Gesellschafter in die Leitungsebene der Bank auf; wenig später stockte er seine eigenen Anteile am Bankhaus Warthenberg auf, indem er im Einvernehmen mit seinem Schwiegervater das Anteilspaket von dessen Schwester, Elisabeths Tante, übernahm. Ende des Jahrtausends, nachdem sich sein Schwiegervater aus dem Geschäftsleben zurückgezogen hatte, besetzte Fredrik schließlich den obersten Posten des Sprechers der Gesellschafter. Seit vierzehn Jahren thronte er nun nicht nur über der Privatbank, deren Geschicke er leitete und die er durch alle Finanz- und Wirtschaftskrisen des neuen Jahrtausends steuerte, sondern ebenso unangefochten an der Spitze der Familien Warthenberg und Stolt. Ein Patriarch alter Schule …
    … und dessen Geschichte, als Kirsten abends im Bett so darüber nachdachte, doch die eine oder andere Lücke aufwies. Es fehlten die Schnittstellen, die Übergänge von einem Lebenskapitel zum nächsten. Dabei transportierten diese doch die eigentlichen Informationen über das Wesen eines Menschen, die Motivation hinter Taten, Entscheidungen und Brüchen. Fredriks Lebenslauf hingegen blieb ein Stakkato.
    Wahrscheinlich war Kristoffer das ebenfalls aufgefallen, als er begonnen hatte, sich mit dem Lebensweg seines Vaters auseinanderzusetzen. Er hatte gespürt, wie ihm die Puzzlesteine zwischen den Fingern hindurchglitten, Stationen eines
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