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In fremderen Gezeiten

In fremderen Gezeiten

Titel: In fremderen Gezeiten
Autoren: Tim Powers
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Pistole zog und einem der beiden Männer, die den Besan bedienten, damit direkt in das erstaunte Gesicht schoss. Der Matrose wurde zurückgeworfen und prallte mit dem hinteren Teil seines zerstörten Kopfes auf Deck; der andere Mann gab ein merkwürdiges Jaulen von sich, duckte sich und spurtete zum Niedergang. Hurwood ließ seine Pistole fallen und zog die nächste heraus. Die gerade abgeschossene fiel noch rauchend mit einem Poltern auf Deck. Sein nächster Schuss zertrümmerte den Belegnagel, auf dem die Schot des Besans festgelegt war; die jetzt freigegebene Schot schoss durch die Blöcke, dann schwang das gut neun Klafter hohe Segel unkontrolliert mit seinem schweren Baum nach Backbord herum und zerriss dabei, was ihm an stehendem Gut im Weg war, wie verrottetes Tau; die plötzlich freigekommenen Wanten und Webleinen flogen aufwärts und das Schiff erzitterte. Während der Besanmast sich nach Steuerbord neigte, gaben die überlasteten Rahen mit einem Krachen nach und brachen.
    Der Mann an der anderen Drehbasse lag mit dem Gesicht nach unten auf Deck; er war offenbar das Ziel von Hurwoods zweitem Schuss gewesen.
    Hurwood hatte Chandagnac hinter seinem Tisch nicht bemerkt – er zog jetzt eine weitere Pistole, ging bis zum Niedergang und suchte sich in aller Ruhe in dem Durcheinander und Gedränge auf dem Quarterdeck sein nächstes Ziel.
    Ohne nachzudenken, sprang Chandagnac auf, war mit zwei langen Schritten hinter Hurwood und warf sich ihm mit der Schulter in den Rücken, gerade als der alte Mann erneut schoss. Der Schuss richtete kein Unheil an und beide Männer stürzten die Leiter hinunter.
    Chandagnac zog in der Luft die Knie an, überschlug sich und landete auf den Füßen, ließ sich über Deck abrollen, stieß dabei aber gegen einen Matrosen, den er umwarf. Sofort war er wieder auf den Füßen und sah sich um, um festzustellen, wie Hurwood den Sturz überstanden hatte, aber in dem Gedränge der verängstigten Matrosen konnte er ihn nicht entdecken. In unregelmäßigen Abständen krachten Schüsse, das Pfeifen der Kugeln ließ die Umstehenden zusammenzucken und sich ducken, aber Chandagnac konnte weder erkennen, wer da schoss, noch, auf wen geschossen wurde.
    Dann krachte nach einem vernehmbaren Reißen von Tauwerk über ihren Köpfen eine dicke Spiere auf Deck, erschütterte das ganze Schiff und zermalmte einen Teil der Reling nicht weit von Chandagnac, bevor sie über Bord ging. Nur ein paar Schritt von Chandagnac entfernt stürzte ein Matrose aus der Takelage und schlug mit einem Geräusch, als werfe man einen Arm voll großer Folianten zu Boden, auf Deck auf. Doch erst, was als Nächstes neben ihm landete, riss Chandagnac aus seiner Benommenheit – es war ein Enterhaken, der über die Reling geflogen kam und dessen Leine straff gezogen wurde, noch bevor er das Deck berührt hatte, sodass er an der Reling festkam. Sofort war ein Matrose zur Stelle, um den Haken zu lösen, bevor allzu viel Gewicht darauf lag, und Chandagnac war direkt hinter ihm, aber eine Pistolenkugel von hinten warf den Matrosen um und Chandagnac stolperte über ihn. Chandagnac kauerte sich ans Schanzkleid und hielt nach Hurwood Ausschau; er war sich sicher, dass der einarmige alte Mann auch diesen Matrosen umgebracht hatte. Aber als eine weitere Kugel von vorn vor seinen Füßen das Deck splittern ließ und er den Kopf herumriss, um festzustellen, woher der Schuss gekommen war, sah er, dass Leo Friend, Beth’ fetter und geckenhaft gekleideter Arzt, zehn Schritt vor ihm auf der Back stand und mit einer frisch geladenen Pistole auf ihn zielte.
    Chandagnac rettete sich mit einem Hechtsprung über das Durcheinander an Deck; die Pistolenkugel riss ein Loch in das Schanzkleid, vor das er sich zuvor gekauert hatte. Er schloss seinen Sprung mit einer Rolle vorwärts ab, kam wieder auf die Füße und huschte geduckt bis zur Steuerbordreling.
    Dort lag ein Seemann zusammengekrümmt in seinem Blut; Chandagnac drehte ihn in aller Hast herum, um an die beiden geladenen Pistolen zu kommen, deren Knäufe dem Verletzten aus dem Gürtel ragten. Der Mann öffnete die Augen und versuchte, durch seine zerschmetterten Zähne etwas hervorzustoßen, aber Chandagnac hatte fürs Erste jede Fähigkeit für Mitgefühl verloren. Er nahm die Pistolen, nickte dem Sterbenden ermutigend zu und wandte sich dann der Back zu.
    Er brauchte einige Sekunden, um Friend wiederzufinden, denn das Schiff lag nun quer zu Wind und Wellen und rollte heftig, sodass Chandagnac
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