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In der Südsee

Titel: In der Südsee
Autoren: Robert Louis Stevenson
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einen Ort gefunden, an dem er sich wohl fühlte, und hätte die Krankheit nicht doch unmerkbar und unaufhaltsam den Körper verwüstet, so wäre bei seiner lebendigen Schöpferkraft wohl noch manche herrliche Dichtung entstanden. Heimtückisch überfiel ihn der Tod an einem Tage, da er zu seiner Frau gesagt hatte, er fühle sich so gesund wie nie zuvor. Als die Abendmahlzeit nahte, holte er eine Flasche Burgunder aus dem Keller und trat heiter plaudernd zu seiner Lebensgefährtin, als er sich plötzlich mit beiden Händen an den Kopf griff und ausrief: »Was ist das? Sehe ich sonderbar aus?« Dann brach er in die Knie nieder, verlor dasBewußtsein, wurde in die Halle getragen und der deutsche Arzt Dr. Funk herbeigeholt, aber menschliche Bemühungen waren umsonst, und umgeben von seinen Freunden und den farbigen Hausgenossen starb er gegen acht Uhr abends am 3. Dezember 1894.
    So fand Tusitala, der Geschichtenerzähler, ein Grab inmitten des Großen Ozeans auf einer Insel der Südsee, die er fast sosehr liebte wie seine schottischen Berge, und auf seinem Grabe hoch oben auf dem Gipfel von Vaea steht das von ihm selbst verfaßte Requiem, das wir im Urtext wiedergeben:
    Under the wide and starry sky,
Dig the grave and let me lie.
Glad did I live and gladly die,
And I laid me down with a will.
    This be the verse you grave for me:
Here he lies where he longed to be;
Home is the sailor, hom[e] from sea,
And the hunter home from the hill.
    Die Häuptlinge belegten den Ort mit einem Tabu gegen Schußwaffen, damit die Vögel droben nisten und ihre Lieder an seiner Ruhestätte ungestört singen konnten.
    H. S.

Erster Teil. Die Marquesas

Erstes Kapitel
Die Landung
    Nahezu vier Jahre ging es mit meiner Gesundheit bergab, eine Zeitlang vor meiner Ausreise glaubte ich, der letzte Abschnitt meines Lebens sei gekommen, und nur Krankenschwester und Totengräber warteten noch auf mich. Man riet mir, ich solle es einmal mit der Südsee versuchen, und ich war nicht abgeneigt, wie ein Geist oder Gespenst in jenen Gegenden aufzutauchen, die mich einst in Jugend und Gesundheit entzückt hatten. Ich charterte also Dr. Merrits Schonerjacht »Casco«, ein Schiff von vierundsiebzig Registertonnen, segelte Ende Juni 1888 von San Franzisko ab, besuchte die östlichen Inseln und befand mich Anfang des folgenden Jahres in Honolulu. Der Mut, zu meinem ehemaligen Krankenzimmerleben zurückzukehren, fehlte mir, und so segelte ich von dort mit dem Handelsschoner »Equator«, etwas über siebzig Tonnen, südwestlich, verbrachte vier Monate zwischen den Atollen (niedrigen Koralleninseln) der Gilbertgruppe und erreichte Samoa gegen Ende 1889. Zu dieser Zeit begannen Dankbarkeit und Gewohnheit mich an die Inseln zu fesseln, ich hatte neue Kräfte gesammelt, Freundschaften geschlossen und mir neue Interessengebietegewonnen, die Reisezeit war wie ein Traum verflogen, und ich entschloß mich zu bleiben. Auf einer dritten Fahrt mit dem Handelsdampfer »Janet Nicoll« begann ich mit der Vorbereitung dieses Buches. Werden mir noch mehr Tage geschenkt, so sollen sie dort verbracht werden, wo ich das Leben am angenehmsten und die Menschen am interessantesten fand; die Äxte meiner Schwarzen beginnen bereits das Gelände zu roden für mein zukünftiges Heim, und ich muß lernen, zu meinen Lesern zu sprechen von den fernsten Fernen des Ozeans.
    Daß ich auf diese Weise der Behauptung von Lord Tennysons Helden widersprechen mußte, ist weniger absonderlich, als es den Anschein hat. Wenige Menschen, die zu den Inseln kommen, verlassen sie wieder; sie werden grau, wo sie landeten, Palmen beschatten und Passatwinde umfächeln sie bis zum Tode. Sie spielen vielleicht bis zuletzt mit dem Gedanken, die Heimat wieder zu besuchen, aber er wird selten durchgeführt, noch seltener mit Genuß und am seltensten zum zweitenmal. Kein Teil der Welt übt einen bezaubernderen Einfluß auf den Besucher aus, und meine Aufgabe ist es, dem Reisenden am Kaminfeuer einen Begriff zu geben von seinem verführerischen Reiz und das Leben zu Wasser und zu Lande der vielen Hunderttausende zu beschreiben, die teilweise nach Blut und Sprache zu uns gehören und alle unsere Zeitgenossen sind, in Denken und Sitten aber uns so fernstehen wie Rob Roy dem Kaiser Barbarossa oder die Apostel den Cäsaren.
    Erste Eindrücke wiederholen sich nie. Die erste Liebe, der erste Sonnenaufgang, die erste Südseeinsel sindeinzigartige Erinnerungen, mit jungfräulichem Empfinden aufgenommen. Am 28. Juli 1888 war
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