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In den W?ldern tiefer Nacht

In den W?ldern tiefer Nacht

Titel: In den W?ldern tiefer Nacht
Autoren: Amelia Atwater-Rhodes
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verschleiern, und in dem Gesicht meines Angreifers spiegelte sich Angst, als er meine volle Stärke spürte.
      »Ist das deine ganze Bewaffnung?« fragte ich verächtlich. »Du arbeitest für einen von uns – du mußt mehr als eine Pistole bei dir haben.«
      Er begann, ein Messer hervorzuziehen, aber ich packte es schnell und warf es mit genügend Kraft auf die Straße, um die Klinge zentimeterweit in den Boden zu treiben.
      »Wer... wer bist du?« stotterte er ängstlich.
      »Wer glaubst du, daß ich bin, mein Junge?«
      Ich neige dazu, meinen Artgenossen aus dem Weg zu gehen, und ich zerstöre alle, die mir unbedingt zu nahe kommen müssen. Aus diesem Grund erkennen mich nur wenige. »Wem gehörst du?« schnappte ich, als er nicht sofort antwortete. Als Antwort erhielt ich nur ein leeres Starren.
      Ich drang in seinen Geist ein und holte mir die Information, die ich wollte. Die Vampire meiner Blutlinie zählen zu den stärksten, wenn es darum geht, unseren Geist zu benutzen, und ich wüßte beim besten Willen nicht, warum ich diese Macht nicht ausnutzen sollte. Als ich gefunden hatte, was ich suchte, schleuderte ich den Menschen von mir weg.
      Als ich begriff, wem er gehörte, fluchte ich laut.
      Aubrey... Er ist einer der wenigen Vampire, die stärker sind als ich. Er ist außerdem der einzige, den meine Anwesenheit in seinem Gebiet interessieren würde.
      Ich hatte mich schon öfter in diesem Teil von New York City aufgehalten, war aber weder Aubrey noch einem seiner Diener je begegnet. Und doch gehörte dieser Ort nach allem, was ich aus diesem Menschen herausgesogen hatte, meinem ärgsten Feind.
      Mein Angreifer lächelte spöttisch. Vielleicht glaubte er, daß ich Angst vor seinem Herrn hatte. Es stimmt sogar, ich fürchte Aubrey mehr als alles andere auf der Welt, aber nicht genug, um diesen Jungen zu verschonen. Aubrey würde früher oder später sowieso erfahren, daß ich in seinem Revier war, und dieser Junge störte mich.
      »Ryan«, säuselte ich; den Namen hatte ich seinem Geist entnommen. Er entspannte sich ein bißchen. Doch als ich mit gefletschten Zähnen lächelte, wurde er kalkweiß. »Wegen dir habe ich meine Beute verloren.«
      Bevor er davonlaufen konnte, trat ich auf ihn zu und legte eine Hand auf seinen Nacken. Dabei suchte ich seinen Blick und flüsterte ein einziges Wort in seinen Geist: Schlafe. Er erschlaffte sofort und wehrte sich auch nicht, als ich meine Fänge in seine Kehle schlug. Ich schmeckte eine Spur von Aubreys Blut in dem ansonsten sterblichen Elixier, das durch Ryans Adern floß, und der Geschmack ließ mich frösteln.
      Ich machte mir nicht die Mühe, seinen Tod zu verschleiern. Wenn Aubrey behauptete, diese Straße zu besitzen, dann sollte er sich doch mit der Leiche und der Polizei herumschlagen. In jedem Fall würde Aubrey meine Aura spüren und wissen, daß ich hiergewesen war. Immerhin würden es nur sehr wenige wagen, in seinem Territorium einen seiner Diener zu töten.
      Obwohl ich Aubrey fürchtete und mit Entsetzen dem Moment unserer Begegnung entgegensah, wollte ich diese Furcht unter keinen Umständen zeigen.
      Dies war das erste Mal seit fast dreihundert Jahren, daß sich unsere Wege gekreuzt hatten, und ich würde gewiß nicht zugeben, daß ich ihn immer noch fürchtete.
     
 
      Aubrey... bei dem Gedanken an ihn schießt Haß in mir auf.
      Die langstielige Rose liegt auf der scharlachroten Tagesdecke meines Bettes, die Blütenblätter weich und perfekt und schwarz.
      Ich nehme die Rose und steche mir dabei die Hand an einer der Dornen, die scharf wie die Zähne einer Giftschlange sind. Während ich auf das Blut sehe, bis die Wunde sich schließt, erinnere ich mich an längst vergangene Zeiten – dann lecke ich es abwesend auf. Meine Gedanken kehren wieder zu der Zeit zurück, als ich noch Rachel Weatere war – zu der Zeit, als ich eine andere schwarze Rose erhielt.
      Damals habe ich das Blut nicht abgeleckt.
     
 
     

4
 
     
    1701
     
     
 
      »Rachel«, sagte Lynette zu mir, »du hast Besuch. Papa wartet bei ihm.« Ihr Tonfall klang wie der eines schmollenden Kindes.
      Fast ein Monat war vergangen, seit Lynette sich verbrannt hatte. Meine Schwester ahnte nichts von Alexanders quälenden Gedanken, sie wußte auch nichts von den Kräften, vor denen er solche Angst hatte, und sie glaubte, daß das Feuer ein Unfall gewesen war.
      Alexander hatte nicht wieder mit mir über die Dinge gesprochen, die er sah, obwohl
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