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In deinen Armen

In deinen Armen

Titel: In deinen Armen
Autoren: Christina Dodd
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da schön gewesen; das hellste Licht in einem Raum voller Kerzen. Sie hatte sich mit solcher Anmut bewegt, sich über ihn gebeugt in ihrem lose geschnürten rosa Morgenmantel, das Haar zu einem ebenholzschwarzen Rauschen geflochten. Ihre Haut hatte wie feiner heller Samt gestrahlt mit einem rosaroten Schimmer auf den Wangen, einem tieferen, über die vollen Lippen gestäubten Rosé und einem zarten Goldton im Dekolleté. jeder Blitzschlag hatte mehr von ihr erleuchtet: die zarten Ohrläppchen, das himmlische Mitgefühl ihrer Finger.
    In jener Nacht hatte er zum ersten Mal begriffen, dass er aufgesetzt werden wollte, um Wasser zu bekommen oder was auch immer sie ihm einzuflößen beliebte. Denn wenn sie ihn hielt, seinen Kopf an ihren Busen drückte und die Arme ihn legte, konnte er glücklich sterben.
    Er runzelte die Stirn.
    Sterben? Er würde nicht sterben.
    Das stand außer Frage.
    »Was für ein schöner Morgen, Miss, nach diesem Sturm letzte Nacht.« Die weiße Schürze glatt über das braune Baumwollkleid gebunden, betrat Mrs. Brown mit Enids Frühstückstablett in den Händen geschäftig das Zimmer. »Die alten Herren da oben in den Wolken haben letzte Nacht mächtig gekegelt.«
    Mit erhobenen Armen wandte Enid sich von dem kleinen, an der Wand hängenden Spiegel um und sah die Frau an, die seit zwei harten Wochen ihre größte Stütze war. »Ich bin aufgewacht, ja.« Sie konnte es kaum erwarten, die Neuigkeiten loszuwerden – wenn auch nicht alle. Manches blieb lieber ungesagt.
    Mrs. Brown stellte das Frühstückstablett auf den Tisch am Fenster und eilte herbei, um Enid beim Aufstecken der Haare zu helfen. Die dunklen, dicken Fluten, die Enid bis über die Hüften reichten, wellten sich, wie es ihnen gerade gefiel, doch Mrs. Brown hatte nicht vergebens neunzehn Kinder großgezogen. Die hoch gewachsene, robuste Frau drehte die Locken mit kräftigen Händen zusammen, bis Enid Schlitzaugen machte und sich vor Schmerz auf die Zehenspitzen hob. Doch sie beklagte sich nicht; die neue, freudvolle Erfahrung mütterlicher Fürsorge übertraf das Unbehagen bei weitem.
    Während Mrs. Brown das Haarnetz arrangierte und es mit Haarnadeln sicherte, fragte sie: »Hat der Sturm ihn gestört, Miss?« Ihr breites Gesicht war ernst, als sie in MacLeans Richtung nickte, der still und teilnahmslos auf dem Bett lag.
    Enid lachte aufgeregt. »Als ich gegen Mitternacht aufgewacht bin, hatte er die Augen auf.«
    »Ah, so ist das also.«
    Mrs. Brown nahm die Neuigkeiten mit ihrer typischen Gelassenheit zur Kenntnis, aber Enid sah die Zufriedenheit in ihren freundlichen Augen. Mrs. Browns gesunder Menschenverstand und ihre unerschöpflich gute Laune hatten Enid weitermachen lassen, wenn Erschöpfung und Mutlosigkeit sie eigentlich zum Weinen bringen wollten. Aber Mrs. Brown kümmerte sich eben auch um Enid, schickte sie spazieren oder beorderte die Dienstmädchen, ihr behilflich zu sein, indem sie Bettzeug und Wäsche heranschafften und Enids Kleider bügelten.
    »Das sind gute Nachrichten.« Sie bei den Schultern packend, dirigierte Mrs. Brown Enid zum Frühstückstablett. »Er hat noch nie die Augen aufgeschlagen, ohne dass Sie vorher mit ihm gesprochen hätten.«
    »Sehr gute Nachrichten, würde ich meinen.« Enid betrachtete, während sie sich setzte, die reglose Gestalt.
    »Ihr Brief ist gekommen«, sagte Mrs. Brown.
    Enid griff nach dem weißen Bogen Papier und brach das Siegel. Sie überflog die ersten paar Zeilen. Lady Halifax behauptete, bei guter Gesundheit zu sein, und war tatsächlich gut genug beieinander, um säuerliche Bemerkungen über ihre neue Pflegerin, den Haushalt und den Zustand der Welt im Allgemeinen zu machen. Der wöchentliche Briefwechsel hielt Enids schlechtes Gewissen in Schach, und der Witz der alten Dame brachte sie immer wieder zum Lachen. Sie legte den Bogen auf den Tisch. »Ich schreibe ihr heute Nachmittag.« Die Serviette auffaltend, sagte sie: »Ich denke, MacLean macht Fortschritte.«
    Er
machte
Fortschritte, denn nachdem sie ihm seine Brühe eingeflößt und sich über ihn gebeugt hatte, um ihn zuzudecken, hatte er doch tatsächlich die Hand in ihren Morgenmantel gleiten lassen und ihre Brust umfasst! Und zwar nicht etwa vorsichtig oder zögerlich, sondern mit dem seelenruhigen Selbstbewusstsein eines echten Frauenliebhabers.
    Sie war zurückgefahren und hatte nach Luft geschnappt, während seine Hand heruntergefallen war und seine Augen sich schlossen, als hätten seine Bemühungen ihn völlig
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