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Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Autoren: Anne Holt
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der Waffe erzählt hat. Wenn er Volter umgebracht hätte, dann hätte er den Revolver niemals wieder rausgerückt. Zwar ist er so ungefähr das Widerlichste, was mir je über den Weg gelaufen ist, aber er ist eine feige Sau. Genau wie dieser Adonis Brage. Nein. Den Wächter können wir vergessen.«
    »Hört mal zu, Leute.«
    Hanne war auf Mineralwasser umgestiegen, sie hielt sich das Glas ans Gesicht und hatte das Gefühl, daß die Kohlensäure ihre Haut kitzelte.
    »Wenn wir Benjamin Grinde an den Nagel hängen … und diese Furie Ruth-Dorthe Nordgarden, die nur Ärger gemacht hat, aber offenbar nicht mehr … und die Pharmamed und den Wächter … und damit auch diesen armseligen Nazi Brage, der in unserem Hinterhof versauert … dann … dann bleibt uns doch niemand.«
    »Irgendein persönlicher Feind, von dem wir ganz einfach noch nichts wissen«, sagte Billy T. »Das bedeutet hektische Tage und Monate, und wahrscheinlich werden wir die Wahrheit nie erfahren. Wir sind nicht gut genug. Ganz einfach nicht gut genug. Und jetzt will ich Musik. Richtige Musik.«
    Er sprang auf und boxte Håkon in den Rücken.
    »Oper, Håkon, hast du so was? Puccini?«
    »Ich glaube, wir haben ›Tosca‹. Schau selber nach.«
    »Tosca ist spitze. Sie hat aus Liebe gemordet. Und aus diesem Grund morden die meisten, das kann ich euch sagen, meine Damen und Herren.«
    »Liebst du deshalb die Oper so sehr?« fragte Tone-Marit. »Weil sich alle gegenseitig umbringen? Kriegst du davon beim Job denn nicht genug?«
    Billy T.s Finger wanderten am CD-Gestell auf und ab. Endlich fand er das Gesuchte. Als er die CD einlegte, hätte er Håkon eigentlich gern gesagt, was er von dessen mickriger Stereoanlage hielt, aber das verkniff er sich. Er erhob sich mit einem zufriedenen Seufzer, als die Ouvertüre von »Tosca« aus den Lautsprechern ertönte.
    »Ich sag dir eins, Tone-Marit.«
    Er schloß die Augen und fing an, das unsichtbare Orchester zu dirigieren.
    »Opern«, rief er. »Opern sind eigentlich ein ziemlicher Quatsch. Aber Puccini, weißt du, Puccini stellt Frauen dar, wie sie eigentlich sein sollten: Tosca, Lulu, Madame Butterfly … sie bringen sich um, wenn ihnen die endgültige Tragödie widerfährt. Sie stellen große Ansprüche an das Leben und an sich selber und wollen nicht mehr leben, wenn etwas richtig danebengeht.«
    Seine Armbewegungen wurden immer heftiger, und die anderen verfolgten wie gebannt diesen seltsamen Auftritt.
    »Sie sind kompromißlos«, rief Billy T. »Restlos kompromißlos!«
    Dann hielt er plötzlich inne, mitten in einem gewaltigen Bogen vom Boden bis zur Decke. Seine Arme sanken herab, er öffnete die Augen und ging ruhig zur Anlage, um sie leiser zu drehen.
    »Genau wie du, Hanne«, sagte er, setzte sich neben sie und drückte ihr einen schmatzenden Kuß auf die Wange. »Total kompromißlos. Aber …«
    Er starrte sie an, und auch den anderen schien es aufgefallen zu sein: Hauptkommissarin Hanne Wilhelmsen sah aus, als wäre sie in Trance. Ihr Mund war leicht geöffnet, und es schien, als hätte sie aufgehört zu atmen. Ihre Augen waren klar und groß und schienen etwas zu sehen, das sich an einem ganz anderen Ort befand, vielleicht auch in einer ganz anderen Zeit. An ihrem Hals pochte eine Ader – deutlich und rhythmisch.
    »Was ist los mit dir?« fragte Billy T. »Hanne, bist du in Ordnung?«
    »Ich denke an den Volter-Mord«, flüsterte sie. »Wir haben alle möglichen Mörder eliminiert. Und damit haben wir …«
    Die CD schrammte leicht, die Anlage spuckte drei abgehackte Noten aus, immer wieder. Aber nicht einmal Billy T. sprang auf, um Abhilfe zu schaffen.
    »Der Mord an Ministerpräsidentin Volter kann nicht begangen worden sein«, sagte Hanne Wilhelmsen. »Niemand kann es getan haben.«
    Unerklärlicherweise riß das CD-Gerät sich dann von selbst zusammen. Wieder ertönte die Musik aus den Lautsprechern, rein und fließend, und füllte das Haus, in dem ein neugeborenes Kind zusammen mit seiner Mutter schlief. Tone-Marit betrachtete ihren nackten Arm, sie hatte eine Gänsehaut. Es war, als sei ein Engel durch das Zimmer geflogen.

Sonntag, 27. April 1997
    16.00, Ole Brumms vei 212
    Der Lichtstreifen, der wie ein Kegel durch die Dachluke auf den schmutzigen Holzboden fiel, erinnerte ihn an einen Seehund. Die Luft war erfüllt von Staub und alten Erinnerungen, und er stolperte über Pers erste, blaugestrichene Ski, als er sich dem Lichtkegel näherte. Er dachte an Ferien vor langer Zeit –
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