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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition)
Autoren: Kate Rhodes
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erblickte, ehe er den Stoff wieder vor meine Augen zog, hätte ich am liebsten nicht gesehen. Schwarze Bodenfliesen und direkt vor meinen Augen alle seine Instrumente, ordentlich auf einem grünen Handtuch aufgereiht. Sie waren der Größe nach geordnet, vom kleinsten Skalpell bis hin zu einer Schlachtersäge, die problemlos durch die dicksten Knochen kam.
    Er hob mich wieder auf, drückte mich zurück auf meinen Eimer, und vor lauter Angst bekam ich keinen Ton heraus.
    Schließlich schob er mir den Knebel wieder in den Mund, zerrte mich zurück in meine Kiste und ließ mich wie eine Lumpenpuppe, die er leid war, einfach unsanft fallen. Dieses Mal stieß meine Hüfte hart gegen das blanke Holz. Deshalb also waren die Körper seiner Opfer stets mit blauen Flecken und mit Abschürfungen übersät.
    Über meinem Kopf schnappten die Schlösser wieder zu, und ich kämpfte gegen das Zittern meiner Glieder und das Zähneklappern an. Wenn ich meine Ohren spitzte, hörte ich vielleicht, wo mich der Kerl gefangen hielt. Über seine mit einer besessenen Liebe zum Detail arrangierten Messer dachte ich am besten gar nicht nach.
    Dann ging mir mit einem Mal ein Licht auf. Die Beweise waren so eindeutig, dass es einfach stimmen musste. Plötzlich war mir klar, wer mein Entführer war. Er hatte seine Instrumente so präzise und methodisch wie vor einem chirurgischen Eingriff aufgereiht.
    Sean. Es konnte niemand anders sein.
    Er verdiente seinen Lebensunterhalt mit dem Aufschneiden von Menschen, und er kannte sich mit Schmerzen aus. Sie waren schließlich sein Spezialgebiet. Und es war bestimmt nicht schwer gewesen rauszufinden, wie genau die Bensons bei ihren Verbrechen vorgegangen waren. Etwas an ihrer Brutalität hatte ihn offenbar erregt. Vielleicht kannte er ja den Chirurgen, der Cheryl Martin zusammengeflickt hatte, und hatte ihn, vorgeblich aus Mitgefühl, über einem Drink nach ihren Wunden ausgefragt.
    Und bis ich mich von ihm getrennt hatte, hatte er nie auch nur den allerkleinsten Misserfolg gehabt. Er war der Liebling aller, attraktiv und talentiert, hatte sein Studium als Jahrgangsbester absolviert. Niemand hatte ihm je die Erfüllung irgendeines Wunschs verwehrt, und die Zurückweisung durch mich hatte ihn offenkundig völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich erinnerte mich an den Blick, mit dem er mich angesehen hatte: ungläubig und wütend, so, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er mir eine verpassen sollte oder besser einfach ging. Und hätte er nicht seinen eigenen Geruch durch den der Bleiche überdeckt, hätte ich ihn sicher gleich erkannt.
    Ich hörte, wie er hin- und herlief und in seinem Reich wieder die gewohnte Ordnung schuf. Er musste irgendwo einen Keller oder eine kleine Lagerhalle gemietet haben. Sicher war er dabei clever vorgegangen und hatte einen möglichst abgelegenen Ort gewählt.
    Deshalb wäre es vollkommen sinnlos, zu versuchen, meinen Knebel durchzubeißen, um zu schreien.

36
    Das Nächste, was ich hörte, war ein völlig unerwartetes Geräusch. Die Stimme einer Frau, die sich vor lauter Panik überschlug.
    »Nein, bitte. Nicht noch einmal. Lassen Sie mich gehen.«
    Es war eine geschwächte Version des Originals. Die Erschöpfung und die Angst hatten ihr den melodiösen Klang geraubt, aber trotzdem hätte ich sie überall erkannt. Es war ganz eindeutig Lola, die da schrie. Ich brüllte ihren Namen, aber außer einem dumpfen Quietschen drang kein Laut aus meinem mit Lumpen vollgestopften Mund, weshalb ich mit nackten Fersen möglichst fest gegen die Seite meiner Kiste trat. So wüsste sie zumindest, dass sie nicht alleine war.
    »Du verdammtes Schwein, nimm deine Pfoten weg!«
    Ihr Gebrüll war laut genug, dass es das dicke Holz durchdrang, und ich war erleichtert, weil ihr Kampfgeist eindeutig noch nicht erloschen war. Dann aber verstummte sie. Vielleicht zwang er sie zu trinken und goss ihr das eisige Wasser schneller in den Mund, als sie schlucken konnte. Aber nach ein paar Minuten hörte ich erneut, wie sie mit unserem Entführer sprach.
    »Warum reden Sie nicht mit mir? Bitte, tun Sie das nicht.«
    Offensichtlich nützte Betteln nichts, denn danach waren ihre Worte nicht mehr deutlich zu verstehen. Anscheinend hatte er ihr abermals den Lumpen in den Mund gestopft, und das, was ich im Anschluss hörte, war viel schlimmer als ihr jämmerliches Flehen. Nicht einmal der Knebel dämpfte das Geräusch. Ein langgezogenes Heulen, dicht gefolgt von dumpfen Schreien. Ich ballte meine
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