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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme
Autoren: Gantt DeVa
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gehört zu den ganz Großen im Zucker- und Tabakgeschäft.« Loretta legte eine kleine Pause ein, bevor sie weitersprach. »Natürlich ist es allein deine Entscheidung, liebe Charmaine, und es besteht auch kein Grund zur Eile. Lass dir die Sache in Ruhe durch den Kopf gehen. Habe ich nicht recht, Joshua?«
    »Absolut«, murmelte Joshua schmunzelnd, da er die Taktik seiner Frau durchschaute.
    Einige Tage vergingen, ohne dass von der Insel oder der Stellung die Rede gewesen wäre. Umso häufiger dachte Charmaine über die Reise nach. Gouvernante von drei kleinen Kinder. Jedenfalls besser als Hausmädchen oder Haushälterin. Und bei Loretta konnte sie auch nicht für immer bleiben. Wo sie wohl in zwanzig Jahren lebte? Diese Gelegenheit war greifbar nahe und würde sich ihr vermutlich nie wieder bieten. Und was noch wichtiger war: Falls sie von hier fortging, musste sie sich nicht länger vor ihrem Vater ängstigen.
    Sobald Loretta spürte, dass die junge Frau zu einer Entscheidung bereit war, brachte sie die Sache noch einmal unter einem anderen Blickwinkel zur Sprache. »Du bist noch unglaublich jung, Charmaine.«
    »Unglaublich, fürwahr«, spottete Charmaine.
    »Solche Reden will ich nicht wieder hören«, schimpfte Loretta. »Das Beste an dir ist dein großes Herz und dein liebevolles Wesen. Doch wenn du so redest, als ob du eine solche Stellung nicht verdientest, bewahrheitet sich das womöglich noch.«
    Die Heftigkeit der Antwort beeindruckte Charmaine. Sie musste Loretta recht geben. Dies war eine außergewöhnliche Gelegenheit. Und womöglich wartete ja tatsächlich etwas Besonderes auf sie. Es konnte nicht schaden, nach Les Charmantes zu reisen und sich dort umzusehen. Womöglich wachte ihre Mutter ja wirklich über ihr Schicksal. Am besten legte sie ihre Entscheidung in Gottes Hand.
    Noch bevor die Woche vorüber war, schrieb Loretta ihrer Schwester und kündigte ihren Besuch an, und am Ende des Monats bezahlte Joshua Harrington die Überfahrt für drei Personen auf der Raven , die zur Flotte der Duvoisins gehörte und Versorgungsgüter auf die Inseln transportieren sollte.
    Noch am Vorabend der Abreise hatte Charmaine heftig mit ihrer Entscheidung gehadert, doch als das Schiff unter dem blauen Himmel ruhig auf dem Fluss dahinglitt, erwachte ihre Vorfreude. Sie war plötzlich froh, dass sie sich überwunden und sich für das Wagnis statt für die Selbstzufriedenheit oder, besser noch, für das Neue statt für das Altgewohnte entschieden hatte. Wenn Mrs. Harrington der Ansicht war, dass sie sich um die Stellung einer Gouvernante bewerben konnte, war sie dazu bereit. Und so saß sie nun in der kleinen Kabine und übte die Antworten auf allerlei Fragen, die man ihr vermutlich während ihres Vorstellungsgesprächs stellen würde.
    »Das war schon sehr gut.« Loretta lächelte. »Und denk immer daran, Charmaine: Du musst nicht alles erzählen.«
    »Aber was soll ich antworten, wenn sie nach meiner Familie fragen?«
    Loretta tätschelte ihre Hand. »Zum Beispiel: ›Meine Mutter – Gott schenke ihrer Seele Frieden – ist vor ungefähr einem Jahr gestorben. Mein Vater hat uns leider schon vor langer Zeit verlassen.‹«
    »Ist das denn annehmbar? Werden sie damit zufrieden sein?«
    »Wie ich dir bereits gesagt habe, werde ich schon dafür sorgen.«
    »Alles ist in bester Ordnung!« Joshua Harrington strahlte über das ganze Gesicht, als er sich übermütig wie ein Junge in den Sessel plumpsen ließ, den seine Frau soeben erst verlassen hatte.
    Loretta und Charmaine sahen von dem schmalen Bett auf und vergaßen sogar den Rock, an dem sie gerade nähten, so sehr staunten sie über die Verwandlung, die mit dem leicht untersetzten Joshua geschehen war. Offensichtlich hatte er die letzten fünf Stunden an Deck der Raven auf dem Weg zum Atlantik von Herzen genossen.
    »Jonah Wilkinson erwartet keinerlei Komplikationen auf unserer Überfahrt. Außerdem rechnet er damit – was dich sicher besonders freut, meine Liebe –, dass wir die Inseln in weniger als vier Tagen sichten werden, immer vorausgesetzt natürlich, dass der Wind günstig ist.«
    »Das sind wahrlich gute Neuigkeiten«, bestätigte Loretta.
    »Wie du weißt, ist deine gelegentliche Unpässlichkeit nicht wirklich als Seekrankheit zu bezeichnen, meine Liebe. Immerhin war dir niemals wirklich …«
    »Bitte, Joshua«, flehte Loretta, »lass uns nicht davon sprechen.«
    »Wie gedankenlos von mir. Wäre es dir lieber, wenn ich dir von der Abreise
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