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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme
Autoren: Gantt DeVa
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schwankte und mit den Fäusten gegen die Tür hämmerte. Als das Hausmädchen öffnete, drängte er sie zur Seite und verlangte, Joshua Harrington zu sprechen.
    »Ich will wissen, wie viel Sie meiner Tochter zahlen«, lallte er, als der Hausherr erschien. »Außerdem hole ich von heute an das Geld persönlich ab. Ich lasse mich nicht länger um mein Recht betrügen!«
    »Sie sind ja betrunken, Mann!«
    »Da haben Sie ausnahmsweise recht. Aber ich verrate Ihnen eines: Ein Mann sieht nur klar, wenn er betrunken ist. Ich weiß genau, dass Haley ihren Dad bescheißt. Aber nicht mit mir! Verstanden?«, rief er.
    »Gehen Sie nach Hause, Mann, und schlafen Sie Ihren Rausch aus«, schimpfte Joshua. Er packte John Ryan am Ellenbogen und zog ihn zur Tür. »Wenn Sie nüchtern sind, können wir gern weiterreden.«
    »O nein, nicht mit mir«, protestierte Ryan und riss sich los. »Ich weiß, was Sie planen. Diese Verschwörung ist vermutlich Ihre Idee. Ich will das Geld, das man mir vorenthält – und zwar sofort!« Er wollte Harrington an den Rockaufschlägen packen, doch er verlor das Gleichgewicht und stolperte gegen die Wand.
    Mr. Harrington riss die Haustür auf und sagte leise und schneidend: »Ich halte keinen Lohn zurück. Natürlich muss mit Ihrer Tochter geredet werden, doch dies ist weder die Zeit noch der Ort dafür. Charmaine schläft bereits, und ich bitte Sie noch einmal höflich, nach Hause zu gehen und Ihren Rausch auszuschlafen.« Er wies ihm die Tür.
    »Wenn Sie nichts damit zu tun haben, steckt sicher meine Frau dahinter. Ich hätte wissen müssen, dass sie mich belügt«, brummelte John Ryan vor sich hin, während er sich schlurfend aus dem Staub machte.
    Charmaine hatte nichts von der unerfreulichen Szene mitbekommen, und Joshua Harrington beschloss, ihr diesen Kummer zu ersparen. Doch als der nächste Montag kam und Charmaine nicht vom Besuch bei den Eltern zurückkehrte, bereute er seinen Entschluss. Auch Loretta sorgte sich, weil sie nicht einmal wussten, wo die Ryans wohnten oder wie sie die Familie erreichen konnten. Als ein weiterer Tag ohne Nachricht von Charmaine vergangen war, suchte Joshua Father Michael in St. Jude auf. Schließlich hatte der Priester die Begegnung zwischen Marie und den Harringtons vermittelt. Aber Father Michael wusste auch nicht, wo die Ryans wohnten. Als Mr. Harrington ihm von den Beschimpfungen des Betrunkenen berichtete, wuchs seine Sorge. Marie war seit vier Tagen nicht mehr in St. Jude erschienen. Der Priester vermutete schon länger, dass Maries Ehe nicht glücklich war, doch wenn er sie wegen der blauen Flecken befragte, die sie sich häufig über Nacht zuzog, wischte sie seine Bedenken mit Ausflüchten beiseite. »Ich bin nur gefallen … Ich bin wirklich sehr ungeschickt.« Father Michael befürchtete zwar, dass dies nicht der Wahrheit entsprach, doch was konnte er tun? Heute jedoch schob sein Zorn das Gelübde beiseite, das er vor fünfundzwanzig Jahren abgelegt hatte. Falls dieser John Ryan Marie und Charmaine etwas angetan hatte …
    Am späten Mittwochabend fasste sich Charmaine ein Herz und kehrte zu den Harringtons zurück. Ihre Mutter war tot. Stockend beschrieb sie das erbärmliche Leben, das sie unter dem Dach ihres Vaters gefristet hatte, und wie sie am vergangenen Wochenende ihre Mutter bewusstlos auf dem Boden vorgefunden hatte. Obgleich ihr Vater nirgends zu finden war, wusste Charmaine sofort, was passiert war. Sie war aus dem Haus gerannt und hatte um Hilfe geschrien, und Nachbarn hatten sich ihrer erbarmt und den Arzt gerufen. Drei Tage lang hatte sich Marie noch ans Leben geklammert, hatte ab und zu schreckliche Laute hervorgestoßen und ihren Mann angefleht, endlich aufzuhören. Und Charmaine hatte geweint, als sie begriffen hatte, dass ein Streit über ihren Lohn der Anlass für die verhängnisvollen Prügel gewesen war.
    Gleich am nächsten Morgen suchte Joshua den Sheriff auf und verlangte, John Ryan zu verhaften. Da Mr. Harrington zu den angesehenen Bürgern der Stadt gehörte, war der Haftbefehl nur eine Frage der Zeit. Falls sich John Ryan noch in der Gegend aufhielt, würde man ihn fassen.
    Tags darauf wurde Marie nach einer Trauerfeier, der nur die Harringtons und Maries Freunde aus St. Jude beiwohn ten, beigesetzt. Viele der Anwesenden weinten. Father Michael ebenfalls. Gebete wurden gesprochen, und als sich die kleine Schar zerstreute, zog der Pastor Charmaine zur Seite. »Es tut mir sehr leid, Charmaine«, murmelte er. »Wir werden deine
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