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Im Land des Eukalyptusbaums Roman

Titel: Im Land des Eukalyptusbaums Roman
Autoren: Elizabeth Haran
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Er hätte sie einfach wegschicken können, woran ihn jedoch Anstand und sein Gewissen hinderten. Hatte sie nicht erwähnt, daß ihre einzigen verbliebenen Angehörigen in Übersee lebten? Zum ersten Mal fragte er sich, ob sie auf der Flucht vor ihr ausgewandert waren.
    »Ich würde vorschlagen, daß Sie Ihr Glück bei einer anderen Stellenvermittlung versuchen, Miss Grayson«, erklärte er resigniert, »wenn ich nicht wüßte, daß Sie die schon alle abgeklappert haben. Ich glaube, dreiAgenturen mußten bereits dichtmachen. Würde mich nicht wundern, wenn meine die nächste ist!«
    Nola zeigte den wohlvertrauten Glanz in den Augenwinkeln. Damit entlockte sie ihm immer wieder kleinere Indiskretionen und verleitete ihn dazu, zuviel von sich preiszugeben.
    »Haben Sie eigentlich schon daran gedacht, zu heiraten?« fragte er plötzlich, und sie stutzte. »Sie könnten doch ihre eigenen Kinder großziehen – und gebe Gott, daß es nur Jungs werden!« Der Gentleman, den sie auf der Straße getroffen hatte, fiel ihm wieder ein. Der wäre sicherlich eine gute Partie; obwohl ihm der Mann bereits jetzt schon leid tat, dem Nola Grayson eines Tages ihr Jawort geben würde.
    »Ich stand vorhin am Fenster, wissen Sie, und sah zufällig, wie Sie mit einem außerordentlich gutaussehenden vornehmen Herrn sprachen ...«
    Nola wirkte verblüfft, dann entrüstet. Es war das erste Mal, daß Tilden erlebte, wie sie um ihre Fassung rang. Obwohl er sie eigentlich sofort wegschicken wollte, interessierte er sich doch für diesen winzigen Moment der Schwäche.
    Sie schlug die Augen nieder und strich unnötigerweise ihren Rock glatt. »Sie meinen Leith, den Sohn von Lord Rodwell. Für uns kann es keine gemeinsame Zukunft geben. Obwohl er noch immer vom Gegenteil überzeugt ist ...«
    Noch nie hatte Nola über ihre Privatangelegenheiten gesprochen, seit Tilden sie kannte. Ihr Berufsleben gestaltete sich so schwierig, daß für anderes kaum Zeit blieb.
    Tildens Neugierde war geweckt. »Aber warum nicht, Miss Grayson? Den Sohn eines Lord würde doch jedeFrau als Gatten schätzen, nicht wahr? Ich habe Sie ja nur kurz miteinander beobachtet, aber was ich in den paar Sekunden sehen konnte, läßt vermuten, daß er sehr bemüht ist.«
    Nola hob ihren Blick, und plötzlich war Tilden sich nicht mehr sicher, ob er gut daran tat, über ihr bislang rein berufliches Verhältnis hinauszugehen. Doch sie versetzte ihn abermals in Erstaunen.
    »Sagt Ihnen der Name ›Rodwell‹ wirklich nichts, Mr. Shelby? Auch für seinen Vater habe ich einmal gearbeitet.«
    Tilden überlegte einen Moment. »Kommt mir ganz vage bekannt vor ...«
    Nola war überzeugte, daß er den Skandal nicht vergessen haben konnte, der wochenlang Schlagzeilen gemacht hatte.
    »Stand da nicht mal etwas in der Zeitung? Muß jetzt aber schon über ein Jahr her sein«, murmelte Tilden. »An die Einzelheiten erinnere ich mich nicht mehr.«
    »Die Aufregung hielt Monate an, Mr. Shelby. Ich habe Lord Rodwell überrascht, wie er splitternackt seine frivole Schwägerin küßte und umarmte, im Wohnzimmer – während im Obergeschoß seine Frau im Ehebett schlief.«
    Tildens Augen weiteten sich. Nolas Mangel an Dezenz schockierte ihn, aber mehr noch das, was sie ihm gerade mitteilte. Eine derart delikate Nachricht hätte er doch bestimmt nicht vergessen, wenn sie in der Zeitung gemeldet worden wäre!
    »Haben Sie damit gedroht, es seiner Frau zu erzählen?«
    »Allerdings!«
    »Und – was passierte?«
    »Er ließ es darauf ankommen!«
    »Und Sie?«
    »Ich habe klein beigegeben.«
    Verblüfft und atemlos dachte Tilden, daß Miss Grayson, wie er sie kannte, einer derartigen Herausforderung doch jederzeit die Stirn bieten würde. »Das paßt aber gar nicht zu Ihnen«, stellte er fest.
    »Ich wollte es auch nicht, das können Sie mir glauben!« Sie erhob sich, trat ans Fenster und starrte in den trüben Vormittag hinaus. Tilden konnte kaum erwarten, daß sie weitersprach.
    »Ich weiß, nach außen hin wirke ich dreist, sogar gefühllos, Mr. Shelby. Das ist nun mal meine Art. Aber ich versichere Ihnen, daß auch ich ein Herz habe, besonders, wenn Kinder betroffen sind.«
    »Daran ... daran habe ich nie gezweifelt, Miss Grayson. Keiner Ihrer ehemaligen Arbeitgeber hat sich je beschwert, daß Sie das Wohl der Kinder vernachlässigen ...«
    Sekundenlang wandte sie sich zu Tilden um, und er war unerwartet gerührt von der Zärtlichkeit ihres Blicks. Er spürte, wie gern sie sich alles von der Seele reden
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