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Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Dunkel des Deltas (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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unsern Mann an das FBI übergeben hat.«
    »Was will das FBI denn von einem kleinen Einbrecher?«
    »Hier ist der Papierkram«, sagte sie und warf den Aktenordner auf meinen Schreibtisch. »Wenn du rüber ins Kittchen gehst, dann sag dem trantütigen Scheißer, er soll nicht ständig an anderer Leute Schwänze denken und uns wenigstens anrufen, bevor er eine laufende Ermittlung versaut.«
    »Ich mein’s ernst, Helen ... Warum machst du’s den Leuten nicht ein bißchen ... Lassen wir’s ... Ich kümmer mich drum.«
    Nachdem sie mein Büro verlassen hatte, ging ich ins Bezirksgefängnis und suchte den Beschließer auf. Er war ein drei Zentner schwerer Bisexueller, der eine Brille mit Gläsern so dick wie Colaflaschen trug und den Hals voller Warzen hatte.
    »Ich hab ihn nicht entlassen. Das war die Nachtwache«, sagte er.
    »Die Papiere sind Mist, Kelso.«
    »Beleidige mir nicht die Nachtwache. Der is nicht umsonst aus der achten Klasse abgegangen.«
    »Du hast einen merkwürdigen Sinn für Humor. Roland Broussard war Zeuge bei einem Mord.«
    »Dann red doch mit den FBIlern. Vielleicht haben sie ihn deswegen abgeholt. Außerdem haben sie ihn bloß vorübergehend mitgenommen.«
    »Wo steht das? Die Handschrift sieht aus, als wär ein besoffenes Huhn über das Blatt gelaufen.«
    »Willst du sonst noch was?« fragte er und holte ein in Wachspapier gewickeltes Sandwich aus seiner Schreibtischschublade.
    »Ja, daß der Häftling wieder in unseren Gewahrsam kommt.«
    Er nickte, biß in das Sandwich und schlug die Zeitung auf seiner Schreibunterlage auf.
    »Ich versprech’s dir, Mann, und du wirst’s auch zuerst erfahren«, sagte er und war bereits in den Sportteil vertieft.

4
    Wenn man eine Zeitlang Polizist ist, ist man gewissen Versuchungen ausgesetzt. Es fängt, wie bei allen Verlockungen, klein an und wächst sich allmählich aus, bis man feststellt, daß man irgendwo unwiderruflich vom rechten Weg abgekommen ist, und eines Morgens in einem moralischen Niemandsland aufwacht, ohne die geringste Ahnung zu haben, wie man da hingelangt ist.
    Ich rede hier nicht von Bestechlichkeit, auch nicht davon, daß man Dope aus der Asservatenkammer mitgehen und sich von Dealern mit Stoff versorgen läßt. Diesen Versuchungen erliegt man nicht von Berufs wegen, sondern aus persönlichen Gründen.
    Der große Kuhhandel, den man eingeht, betrifft vielmehr die Einstellung zu anderen Menschen. Die Machtbefugnis eines Polizisten ist gewaltig, zumindest in den unteren Schichten der Gesellschaft, in denen man sich die meiste Zeit aufhält. Als junger Berufsanfänger ist man Menschenfreund, hat feste moralische Vorsätze, doch dann kommt man sich nach und nach verraten vor von denen, die man beschützen und denen man dienen soll. Man ist in ihrem Stadtteil nicht gern gesehen, wird regelmäßig angelogen, bis aufs Blut gereizt, der Streifenwagen wird mit Molotowcocktails beworfen. Der schmierigste Winkeladvokat kann sich unbeschadet in Wohnviertel wagen, in denen man hinterrücks beschossen wird.
    Allmählich glaubt man, daß manch einer, der unter uns weilt, genetisch nichts mit uns gemein hat. Man hält sie insgeheim für Untermenschen, für moralisch verkommen oder bestenfalls für schräge Gestalten, die man hinter Gitter steckt und wie komische Zirkustiere behandelt.
    Danach trifft man vielleicht als erster an einem Tatort ein, an dem ein anderer Polizist gerade einen flüchtigen Verdächtigen erschossen hat. Es ist eine heiße Sommernacht, die Luft flirrt vor Insekten, und man weiß genau Bescheid, will es aber nicht wahrhaben. Ein schlichter Einbruch, ein aufgeschlitztes Fliegengitter auf der Rückseite des Hauses; der Tote ist ein völlig vertrottelter Nichtsnutz, den jeder Cop weit und breit kennt. Die beiden Einschußwunden liegen keine zehn Zentimeter auseinander.
    »Wollte er abhauen?« sagt man zu dem anderen Cop, der fickrig wie nur sonst was ist.
    »Da hast du verdammt recht. Und dann ist er stehengeblieben und hat sich umgedreht. Schau, er hat ’ne Knarre gehabt.«
    Die Waffe liegt im Gras. Sie ist blauschwarz, der Griff mit Isolierband umwickelt. Der Mond ist untergegangen, die Nacht so dunkel, daß man sich fragt, wie jemand diese Waffe in der Hand eines schwarzen Tatverdächtigen sehen konnte.
    »Ich zähl auf dich, Kleiner«, sagt der andere Cop. »Sag den Leuten einfach, was du gesehen hast. Da ist die Scheißknarre. Stimmt’s? Das ist kein Pilz.«
    Und schon überschreitet man eine Grenze.
    Nimm’s nicht schwer,
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