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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn
Autoren: Béla Bolten
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dem Tisch standen Platten mit Salami und Schinken, von denen sie kaum etwas gegessen hatten. Der Appetit war ihnen vergangen, denn kaum hatten sie sich gesetzt, hatte Engel sie mit einer schockierenden Behauptung konfrontiert.
    «Ich glaube, nein, ich bin sicher, dass wir alle hier gerade dabei sind, einem riesigen Schwindel aufzusitzen.»
    Zunächst hatten alle bis auf Sarah und Hawley lautstark protestiert, doch inzwischen war es deutlich ruhiger geworden. Statt einer Rede begann Engel mit einer Art Fragespiel, und nach zehn Minuten war bei allen die Selbstsicherheit verschwunden. Er stellte zuerst die Frage, welche der Fundstücke sie mit Sicherheit als echt ansehen könnten. Latour verwettete daraufhin seine gesamte wissenschaftliche Reputation darauf, dass die Ossuarien und die Inschriften aus dem 1. Jahrhundert nach Christus stammen.
    «Gut», sagte Engel, «daran zweifle ich nicht.»
    «Aber das ist doch sensationell genug», warf Matin ein, der als Einziger mit großem Appetit eine Minestrone verschlang.
    «Was ist daran spektakulär?»
    Als er die fragenden Gesichter der andere sah, zog Engel seinen ersten Trumpf aus der Tasche.
    «Aufsehenerregend ist der Fund nur in der Zusammenstellung der Ossuarien. Jedes für sich genommen stellt keine Besonderheit dar. Die meisten Namen sind alltäglich und finden sich auf zahllosen anderen Gebeinkästen in Museen überall auf der Welt.»
    «Aber Sie waren doch selbst in dem Grab», warf Theresia Stone ein.
    «Das stimmt. Als ich ankam, war es allerdings bereits geöffnet.«
    Sarah hielt die Zeichnung des Grabes hoch, die sie in Sanika Nuris Zimmer gefunden hatte.
    «Vermutlich ist das Grab viel früher entdeckt und geöffnet worden, als Henderson uns weismachen will. Das Datum auf dieser Zeichnung liegt jedenfalls drei Monate vor der angeblichen Entdeckung. Weil Sanika dem auf die Spur gekommen war, musste sie sterben.»
    Engel blickte in betretene Gesichter und hielt es für das Beste, sofort nachzulegen.
    «Wenn meine Vermutung stimmt, öffnete ein Team der HAF dieses Grab zum auf der Zeichnung angegebenen Zeitpunkt ...», er machte eine kleine Pause, um die Wirkung seiner Worte zu steigern, «... und es war leer. Die Ossuarien, die allesamt aus anderen, höchstwahrscheinlich sogar verschiedenen Funden stammen, wurden anschließend in dieses leere Grab gebracht.»
    Er hatte mit lautem Protest gerechnet, doch es blieb erstaunlich ruhig. Sie beschäftigen sich mit dieser Theorie, dachte Engel und fuhr deshalb fort.
    «Ich habe selbst geraume Zeit gebraucht, bis ich den Gedanken zuließ, alles könne ein riesiger Schwindel sein. Aber die Fakten passten für einen historischen Fund einfach zu perfekt zusammen.»
    Er blickte in die Runde und sah in zweifelnde Gesichter. Sarah übernahm das Gespräch.
    «Wahrscheinlich hielt Henderson Ossuarien mit passenden Namen bei anderen Grabungen zurück oder kaufte sie auf dem illegalen Antiquitätenmarkt, der in Israel blüht. Jetzt musste er nur warten, bis er ein passendes Grab fand. Er schob die Kästen in die Loculi, um sie anschließend ‹auszugraben›. Wir haben nur Hendersons Wort, dass der Fund authentisch ist.»
    Theresia Stone zerknüllte ihre Serviette und warf sie auf den Tisch. «Aber das genetische Material in den Kästen war auf jeden Fall alt, und die Verwandtschaftsverhältnisse sind klar erwiesen.»
    «Was heißt das schon», warf Hawley ein. «Wenn Wolframs Theorie stimmt, kann Henderson auch dieses Material aus ganz anderen Funden haben.»
    «Stimmt», sagte Sarah mit hochrotem Kopf. «Es sind schon einige Familiengräber in Israel geöffnet worden.»
    Latour wedelte nervös mit den Händen und stieß dabei fast eine Wasserkaraffe vom Tisch.
    «Die Ossuarien in diesen Gräbern waren aber nicht mit dieser brisanten Namenskombination versehen.»
    Engel lehnte sich zurück. Die Sache lief besser, als er es sich erhofft hatte. Die anderen hatten seine Hypothese akzeptiert und begannen, nach Beweisen zu suchen. Er beschloss, die Debatte laufen zu lassen. Er war mit Sarah und Hawley übereingekommen, dass es am besten wäre, wenn die Teammitglieder von sich aus an den von ihnen selbst erarbeiteten Erkenntnissen zu zweifeln begännen. Theresia Stone leistete allerdings noch heftigen Widerstand.
    «Und was ist mit dem Skelett?», fragte sie wütend. «Die Analysen haben ergeben, dass der Mann mit Mitte dreißig gestorben ist.»
    Sie drehte sich zu Deary um, der unbewegt vor sich hinstarrte.
    «Und Sie haben aufgrund
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