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Ihr Kriegt Mich Nicht!

Ihr Kriegt Mich Nicht!

Titel: Ihr Kriegt Mich Nicht!
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ist kurz hier bei uns.«
    Sie gingen durch den Wald nach Hause.
    »Wie kurz?«, fragte Mik.
    »Zu kurz«, sagte Pi.
    In der Dunkelheit hielten sie einander an der Hand.
     
    Mik warf die Tasche mit dem Angelzeug auf den Dielenboden. Dort stand ein Paar Schuhe, das er nicht wiedererkannte. Turnschuhe, ganz neue, weiße, in Erwachsenengröße.
    »Hallo, bist du da?«, rief Lena aus der Küche. »Du hast Besuch.«
    Tony saß in der Küche und trank Kaffee.
    Tony? Hier? Jetzt?
    Er hatte kurze Haare und einen flaumigen Oberlippenbart. Gedanken und Gefühle flogen ungeordnet umher, stießen zusammen und krachten ineinander. Das hier war unwirklich. Mik öffnete den Mund und wollte alles auf einmal erzählen, blieb aber bloß mit aufgesperrtem Mund stehen und starrte seinen Bruder an.
    »Hallo«, sagte Tony und lachte.
    »Du hast einen Bart?«, sagte Mik.
     
    Sie blieben bis spätabends auf und redeten. Lena backte einen Apfelkuchen und zündete in der ganzen Küche Kerzen an. Mik erzählte alles. Er rannte in der Küche herum und demonstrierte, wie Pi, Oskar, Filip und er selbst die Floßfahrt mit Stromschnellen, Hunger und Wasserfällen überlebt hatten. Dann das eigentliche Wunder, als er plötzlich schwimmen konnte und sich aus dem Griff der Schlange befreite. Über die Zeit bei den Plagegeistern zu erzählen machte nicht so viel Spaß, das fiel kürzer aus. Immerhin gab er damit an, dass er sich nicht mehr vor Hunden fürchtete. Nicht dass er sie gemocht hätte, aber er hatte keine Angst mehr vor ihnen.
    Tony sagte nicht viel. Er lächelte und lachte über Miks Geschichten. Am lustigsten war, als die Polizisten Veder und Kader Mik das Katlazeichen auf den Hintern brennen wollten und er das, was er geklaut hatte, behalten durfte, weil er so hungrig war. Tony kippte über den Tisch und brüllte vor Lachen. Mik war glücklich.
    »Ich hab Briefe geschrieben«, sagte Mik. »Alles stand in den Briefen. Hast du sie gekriegt?«
    »Ja«, sagte Tony. »Die waren gut.«
    »Warum hast du nicht geschrieben?«
    Tony schwieg und strich mit dem Finger über seinen Bart.
    »Weil ich es nicht konnte. Briefe sind schwierig und … Ja.«
    »Wie lange bleibst du?«
    »Bloß übers Wochenende.«
    Tony schlief auf einer Matratze auf dem Boden in Miks Dachkammer. In der Nacht wachte Mik immer wieder auf und staunte, dass Tony da auf dem Boden lag. Dass es kein Traum war, sondern Wirklichkeit. Aber obwohl es Wirklichkeit war, kam es ihm wie ein Traum vor. Morgen würde er ihm den Fluss zeigen.
     
    Bengt lieh Tony Gummistiefel und Angelzeug.
    »Aha«, sagte Bengt. »Du bist also Miks großer Bruder. Er hat viel von dir gesprochen.«
    Bengt holte die Liste. Die Einwohner von Selet für Miks zukünftiges Bleiberecht im Ort.
    »An und für sich bist du ja kein Einwohner von Selet, aber in deiner Eigenschaft als Bruder hast du das volle Recht, mit zu unterschreiben.«
    Tony unterschrieb.
    »Hübscher Bart«, sagte Bengt. »Ein bisschen spärlich, aber das wird noch.«
    Die Stiefel passten. Mik und Tony gingen durch den Wald zum Fluss hinunter. Der gewundene Pfad war schwer zu erkennen. Mik und Pi hatten ihn getrampelt, diesen und noch einige andere. Sie nahmen selten denselben Weg durch den Wald, daher gab es ein verwirrendes System aus kleinen Pfaden, auf denen man sich leicht verirren konnte.
    »Komischer Typ, der Alte«, sagte Tony.
    »Da musst du erst mal seinen Bruder treffen.«
    Das Wasser des Flusses spiegelte die klaren, leuchtenden Herbstfarben der Bäume und trieb mit ihnen sein Spiel. Rot und gelb, dazu der tiefblaue Himmel. Tony fand es schön, sieht aus wie ein Märchen, sagte er. Rein und klar. Keine Geräusche außer dem ruhigen Rauschen des Flusses. Mik zeigte auf die Strömung, erklärte, was Wirbel, Blankstellen und Strömungsränder bedeuteten – dass Mulden, Steine und Baumstämme auf dem Grund des Flusses die Bewegungen der Oberfläche formten. Tony hörte interessiert zu, als Mik erklärte, dass kleine Fische sich gern über Geröll aufhielten, während die großen an den Strömungsrändern in der Nähe von Blankwasser stünden. Er zeigte seinem großen Bruder die besten Plätze, wo die Fische garantiert anbeißen würden. Er selbst begab sich ein kurzes Stück stromaufwärts.
    Mik sah, dass Tony sich ziemlich unbeholfen bewegte, zwischen den Steinen ausrutschte und ins Wasser stolperte. Und er angelte total verkehrt, überhaupt nicht so, wie Mik es ihm gesagt hatte. Doch das war egal, er war hier, und Mik konnte den Blick
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