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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII.
Autoren: Margaret George
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unaufhörlichen Spiele, die er mit seinen Höflingen trieb, gaben ihnen Anlass, ihrerseits mit ihm zu spielen. Versteckst du dies Dokument – verheimliche ich jene Neuigkeit. Lässt du mich im Ungewissen – lasse ich dich im Ungewissen. Teile und herrsche – vereinige und überliste. Die letzten Monate waren derart byzantinisch, dass ich das Gefühl habe, Suleiman hätte sich bei uns wie zu Hause gefühlt. Intriganten, Schmeichler, Makler, Verräter – sie alle pirschten durch die Korridore und die Lange Galerie in Whitehall, wo der König darniederlag und mit dem Engel des Todes rang. Fraktionen im Staatsrat warteten auf die Gelegenheit zur Machtergreifung in dem sicheren Bewusstsein, ihre Feinde vernichten zu können. Sobald der alte König tot wäre, sobald er endlich seinen letzten Atemzug verhaucht hätte … dann würden sie losschlagen und die Macht an sich reißen.
    Aber der Allmächtige hatte andere Pläne, nicht wahr? Der kleine Edward, Heinrichs Stolz: Seine Regierung war wie ein Schatten, stofflos und rasch vorüber …
    All ihre Ränke und Umtriebe legten sich wie eine Staubwolke, und sie mussten fliehen vor Maria, vor Königin Maria, dem katholischen Racheengel.

    Nun muss ich aufschreiben, wie es sich mit Heinrichs Tod und seinem Begräbnis verhielt.
    Der König starb am achtundzwanzigsten Januar 1547 um zwei Uhr in der Frühe. Seit dem Herbst war er sehr krank, und Mitte Januar hatte er sich endgültig in sein Gemach zu Whitehall zurückgezogen, aus dem er nie wieder hervorkam. Er war verwirrt und oft bewusstlos, sodass ihm das lang gezogene »Warten auf den Tod« mit all den lächelnden Höflingen und täglicher Routine, wie sein Vater es hatte erleiden müssen, erspart blieb. Es gab für ihn keine tägliche Routine. Er wusste nicht, wann es Tag und wann es Nacht war, sondern lebte in einer Welt, die er nur selbst sah und schuf. Es gab Augenblicke der Klarheit; am sechsten Januar gab er sogar eine Audienz für den kaiserlichen und den französischen Botschafter. Sie erinnerten sich gut daran, aber es ist zweifelhaft, dass Heinrich es auch tat. Ich weiß noch, dass es eine große Anstrengung für ihn bedeutete, sich an diesem Tag ankleiden zu lassen. Er freute sich darauf, sie zu empfangen und Pläne für eine spätere Konferenz zu schmieden. Er wählte seine Gewänder und Juwelen aus, und nachdem man ihn auf die Füße gestellt hatte, schritt er steifbeinig hinaus in den Audienzsaal, um die Gesandten zu begrüßen.
    Es war eine tapfere Vorstellung. Er kam zurück, entledigte sich seines goldbesetzten Wamses und seiner gewaltigen Rubinhalskette, warf ein einfaches Leinennachthemd über – verschmähte sogar die gestickten – und wanderte einmal in seinem Schlafgemach umher, bevor er sich wie ein Kind mit dem Flaschenzug ins Bett hieven ließ.
    Er verließ das Bett nie wieder.
    Als sich die Dunkelheit über ihn senkte und seine Ärzte die Hoffnung aufgaben, wagte indessen niemand, ihm zu sagen, dass sein Ende nahte – denn es war ja Verrat, den Tod des Königs zu »prophezeien« oder »sich vorzustellen«, wie Henry Norris und Henry Howard es hatten erfahren müssen. Ich selbst wagte es nicht, weil ich fürchtete, er könnte sich dann gegen mich wenden und mich hassen – und das hätte ich nicht ertragen, jetzt nicht mehr. Ich wollte seine Liebe nicht verlieren, und so hielt ich mich feige zurück wie alle anderen.
    Endlich erkühnte sich Sir Anthony Denny – erst seit kurzem bei Hofe, sodass keine alte Liebe ihn behindern konnte – zum König zu sprechen. Nach Ansicht seiner Ärzte, erklärte Denny, habe der König nicht mehr lange zu leben. Ob es jemanden gebe, bei dem er beichten oder seine Seele öffnen wolle?
    »Cranmer«, wisperte Hal. »Aber jetzt noch nicht.« Er bildete sich
ein, dass der Tod noch weit entfernt sei und nicht schon am Kopfende seines Bettes harre. Gleichwohl schickten sie unverzüglich nach Cranmer, der sich in Croydon aufhielt, eine Stunde weit südlich von London.
    Und tatsächlich konnte der König, als Cranmer eintraf, schon nicht mehr sprechen und kaum noch atmen. »Sterbt Ihr im Glauben an Christus?« Cranmer kniete am Bett und flüsterte ihm die Frage ins Ohr.
    Keine Antwort.
    Cranmer nahm seine Hand. »Gebt mir durch ein Zeichen kund, dass Ihr an die Erlösung durch Christus glaubt und dass Ihr fest verbunden mit ihm sterbt.« Ein matter Händedruck, von dem nur Cranmer etwas merken konnte.
    »Er hört!«, rief er aus. »Er hat es bestätigt. Er stirbt im
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