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Ich habe den Todesengel überlebt - Mozes Kor, E: Ich habe den Todesengel überlebt

Ich habe den Todesengel überlebt - Mozes Kor, E: Ich habe den Todesengel überlebt

Titel: Ich habe den Todesengel überlebt - Mozes Kor, E: Ich habe den Todesengel überlebt
Autoren: Eva;Buccieri Mozes Kor
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Nachrichten, die er über zunehmende Judenverfolgung im gesamten Land und in Europa hörte.
    »Was soll ich dort? Wie würden wir uns zurechtfinden? Ich habe keine Lust, in der Wüste zu leben«, sagte meine Mutter. Und wie Mütter manchmal sind, sprach sie ein Machtwort und weigerte sich zu gehen. Ich habe mich oft gefragt, wie unser Leben verlaufen wäre, hätte sie eingelenkt.
    In unserem kleinen rumänischen Dorf lebten wir in einem freundlichen Haus auf einem weitläufigen Gehöft. Wir hatten mehrere hundert Hektar Felder mit Weizen, Mais, Bohnen und Kartoffeln. Wir hatten Kühe und Schafe, von denen wir Käse und Milch gewannen. Wir hatten einen großen Weinberg und produzierten Wein. Wir hatten hektarweise Obstgärten, die uns Äpfel, Pflaumen und Pfirsiche schenkten und saftige Kirschen in dreierlei Farben: rot, schwarz und weiß. Im Sommer verwandelten sich diese Kirschen für uns in wunderschöne Ohrringe, mit denen wir so taten, als seien wir schick herausgeputzte Damen. Mama liebte auch ihren Blumengarten vor dem Haus und ihren Gemüsegarten dahinter, dazu ihre Kühe, Hühner und Gänse.
    Was ihr aber am meisten zu schaffen machte, war der Gedanke, ihre Mutter zurückzulassen. Wir Kinder liebten es, Großmutter und Großvater Hersh zu besuchen. Und meine Mutter fühlte sich als einzige Tochter dafür verantwortlich, sich um Großmutter Hersh zu kümmern, die nicht bei bester Gesundheit war und oft Mamas Hilfe brauchte.
    »Abgesehen davon sind wir hier sicher«, sagte meine Mutter. Sie glaubte wirklich, die Gerüchte, Juden würden von den Deutschen und ihrem neuen Staatsoberhaupt Adolf Hitler verfolgt, seien eben nur dies: Gerüchte. Sie sah keine Notwendigkeit, nach Palästina oder Amerika zu fliehen, Orte der Sicherheit für jüdische Menschen wie uns. Also blieben wir in Portz.
    Portz, ein überwiegend christliches Dorf mit einhundert Familien, hatte einen Pfarrer. Die Tochter des Pfarrers, Luci, war unsere beste Freundin; sowohl Miriam als auch ich liebten es, mit ihr zu spielen. Im Sommer kletterten wir in die Bäume des Obstgartens, lasen Geschichten und führten Stücke in einem kleinen Theater auf, das wir errichteten, indem wir ein Betttuch zwischen zwei Bäumen aufspannten. Im Winter halfen wir Luci sogar, ihren Weihnachtsbaum zu schmücken – das verschwiegen wir unserem Vater, denn er wäre nicht damit einverstanden gewesen.
    Obwohl hier und dort Gerüchte über die Deportation von Juden in Arbeitslager zu kursieren begannen, glaubte Mama weiterhin nicht, dass wir in Gefahr seien. Selbst als wir von den neuen Gettos erfuhren, jenen eingegrenzten Bezirken in europäischen Städten, in denen Juden in Elend und Armut zu leben gezwungen wurden, damit man sie vollständig unter Kontrolle hatte, glaubten wir nicht, ernstlich gefährdet zu sein. Und selbst als die Juden aller Besitztümer und aller Freiheiten beraubt, in Arbeitslager verschickt und wie Sklaven zu unbezahlter Arbeit getrieben wurden, hielten wir es nicht für möglich, dass uns das passieren könnte. Wir hätten niemals geglaubt, dass man in unser winziges Dorf kommen würde.
    Eine meiner frühen Erinnerungen ist die an die Männer eines jüdischen Arbeitslagers aus Budapest, die unser Dorf durchquerten. Die ungarische Regierung holte diese Sklavenarbeiter aus dem Lager, um sie an der Eisenbahnstrecke arbeiten zu lassen; nachdem die Arbeit beendet war, wurden die Männer ins Lager zurückgebracht. Solange sie an der Strecke arbeiteten, hatten sie nachts keine Bleibe, darum ließ mein Vater sie alle in unserer Scheune schlafen. Manchmal kamen ihre Frauen zu Besuch und hielten sich bei uns im Haus auf. Im Gegenzug brachten uns die Frauen eine Menge Spielzeug aus der Stadt mit und, wichtiger noch, sehr viele Bücher. Wir Kinder verloren uns stundenlang in den Welten dieser Bücher. Ich schaffte ein Buch pro Tag, und diesen Frauen ist es zu verdanken, dass ich in jungen Jahren eine Liebe zum Lesen entwickelte.
    Wie ich, allerdings erst später, auf Grund meiner Lektüre begriff, war Adolf Hitler als Parteivorsitzender der NSDAP, der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, 1933 im Deutschen Reich an die Macht gekommen. Der Hass Hitlers auf die Juden war ebenso groß wie jener der rumänischen Eisernen Garde, und die Anführer der antisemitischen und rassistischen Parteien verbündeten sich, schlossen sich zusammen in ihrem Hass und ihren Plänen, ganz Europa zu beherrschen. Dann begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg mit
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