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Ich blogg dich weg!

Ich blogg dich weg!

Titel: Ich blogg dich weg!
Autoren: Agnes Hammer
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etwa wenn ich den Leuten auf die Nerven ging. Nachher war’s mir dann auch klar, aber dann war es zu spät.
    Ich drehte die Stöcke hin und her, versuchte sie in den Händen zu wirbeln, aber das gelang mir immer noch nicht. Darauf kam es auch gar nicht an. Dieses Getue ist nur Angeberzeug und hat mit dem Schlagzeugspielen nicht viel zu tun, sagte mein Vater immer. Ich tippte gegen die Hi-Hat, dann legte ich los. Endlich, dachte ich. Das war meine Chance. Und außerdem war es auch die Chance von Jase Noju . Eine klassische Win-win-Situation, so würde mein Vater es beschreiben. Sie mussten einfach Ja sagen.
    Bei meinem Vater war es immer darum gegangen, den Rhythmus zu halten und brav die Noten zu spielen. Aber Schlagzeug, das war doch in Wirklichkeit etwas ganz anderes! Aggression; Wut, die endlich mal raus durfte; Spaß am Krach, den man machen konnte, wenn man auf die Felle eindrosch. Ich spielte und spielte. Ich schwitzte und keuchte dabei, und erst als ich mit einem Wirbel auf die Tomtoms mein wildes Solo beendete, sah ich auf.
    „Das ist Marek“, sagte mein Vater trocken. „Normalerweise flippt er nicht so aus, wenn ich nach Hause komme.“
    „Hallo“, sagte das Mädchen, das so eng neben meinem Vater stand, dass sofort klar war, dass etwas lief. Sie war halb so alt wie er. Wie ich diese Mädchen, die mein Vater immer mal wieder mitbrachte, verachtete! Sie sahen nicht doof aus, hatten wahrscheinlich sogar Abitur und vielleicht irgendwas studiert. Und dann blieben sie über Nacht bei meinem Vater, weil er ihnen den großen Macker mit der Medienagentur vorgespielt hatte. Sie machten auf kleines Mädchen, legten den Kopf schief und lächelten süß. Hey, wollte ich zu denen immer sagen, du hast was in der Birne. Mach was daraus! Halt dich nicht mit einem alten Bock wie meinem Vater auf!
    „Hallo“, sagte ich nur. Ich legte die Sticks weg und ging an ihnen vorbei.
    Zum Glück waren nicht alle Mädchen so. Das hoffte ich zumindest. Die Medienagentur war übrigens der Trumpf, den ich bei Jase Noju ziehen wollte.
    LISA
    Ich ging hinten an der Förstersiedlung vorbei. Die gepflegten Gärten standen in voller Blüte und sogar an der zweifelsohne geschmackvollen Anordnung der verschiedenen Stauden und den kurz gehaltenen Rasenflächen war zu sehen, dass hier Leute wohnten, die es irgendwie geschafft hatten. Echte Familien mit Vater, Mutter und wohlgeratenen Kindern, deren Versetzung niemals gefährdet sein würde. Wahrscheinlich gab es sogar einen Abendbrottisch, der gemeinsam gedeckt wurde, und schon Pläne für einen Skiurlaub über Weihnachten oder so etwas. Also genau das Gegenteil von meiner Mutter und mir. Wir wohnten seit einem halben Jahr oben in dem kleinen verrotteten Försterhaus, das meine Mutter gemietet hatte. Warum, wusste ich nicht. Die Begründungen wechselten: Sie wollte raus aus der Stadt, aus unserem geliebten Berlin, alles sei zu laut und zu hektisch, sie brauche einen Platz, an dem sie endlich ihr nächstes Buch schreiben könne, sie müsse aufhören zu saufen, und das könne sie in Berlin nicht. All so was. Vielleicht war ich der Grund. Meine Mutter hoffte wohl, dass ich hier endlich vernünftig werden würde, meine schwarzen Klamotten ablegte, meine Schminke abputzte und brav mein Abitur machte. Ein bisschen war sie diesem Ziel heute näher gekommen.
    Denn ich hatte auf dem Schwarzen Brett der Schule diesen Aushang gesehen, auf dem eine Schlagzeugerin gesucht wurde. Mit rotem Stift hatte jemand – wahrscheinlich Julie – dazugeschrieben: „Vorspielen!!!“, und dann das Datum von heute.
    Vielleicht hatte sich keiner gemeldet?
    Nachdem ich lange hin und her überlegt hatte, zog ich mir eine unauffällige schwarze Jeans und ein T-Shirt an, legte ein dezentes Make-up auf, kämmte meine Haare zu einem ordentlichen Pferdeschwanz und schnappte mir meine Sticks. Ich hatte in Berlin eine Band gehabt. Wir hatten dunkle Musik gemacht, eigene Lieder geschrieben und wir hatten auch verschiedene Gigs gehabt. Und auch wenn Jase Noju nicht gerade das spielte, was ich mochte, so war es immerhin besser als gar nichts.
    Jetzt stand ich hier am Garten von Julie und hörte bereits die Band, allerdings noch ohne Schlagzeug. Ich ging zur Vordertür und klingelte. Niemand schien mich zu hören, ich klingelte also nochmals, hoffte, dass ich nicht zu aufdringlich war, und da wurde die Tür auch schon aufgerissen.
    „Guten Abend“, sagte ich. Julies Mutter schien mich im ersten Moment nicht zu erkennen.
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