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Ich bin Nummer Vier

Ich bin Nummer Vier

Titel: Ich bin Nummer Vier
Autoren: Lore Pittacus
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klebt ein Post-it, darauf Henris Schrift: Für alle Fälle
.
Hinter dem letzten Blatt befindet sich ein weiterer versiegelter Umschlag mit meinem Namen. Der Brief, von dem er gesprochen haben muss, bevor er starb. Ich habe nicht die Kraft, ihn jetzt zu lesen.
     
    Ich sehe aus dem Fenster des Hotelzimmers. Leichter Schnee fällt aus tief hängenden grauen Wolken. Er bleibt nicht liegen, der Boden ist zu warm. Sarahs Wagen und der blaue Truck von Sams Vater sind nebeneinander geparkt. Jemand klopft, Sarah öffnet. Sam und Mark kommen ins Zimmer, Sechs hinkt hinter ihnen her.
    Sam umarmt mich und sagt, wie leid es ihm tue.
    »Danke.«
    »Wie geht es dir?«, fragt Sechs. Den Anzug hat sie gegen die Jeans getauscht, die sie trug, als ich sie zum ersten Mal sah, dazu hat sie ein Sweatshirt von Henri an.
    Ich zucke die Achseln. »Alles okay. Kaputt und steif. Mein Körper fühlt sich bleischwer an.«
    »Das Schweregefühl kommt vom Dolch. Es geht aber allmählich weg.«
    »Wie schwer bist du verletzt?«
    Sie hebt das Sweatshirt und zeigt mir die Wunde in ihrer Seite, dann eine weitere auf dem Rücken. Insgesamt hat sie drei Stichverletzungen, außerdem verschiedene andere Schnitte und eine tiefe Schusswunde im rechten Oberschenkel, die jetzt mit Mullbinden und Pflaster verbunden und die Ursache für ihr Hinken ist. Sie erklärt, dass es bei unserem Rückzug zu spät füreine Heilung durch den Stein war. Mich erstaunt, dass sie überhaupt noch lebt.
    Sam und Mark tragen die gleichen Sachen wie gestern, beide sind verdreckt, blutverschmiert und sehen sterbensmüde aus. Mark steht hinter Sam und tritt unbehaglich von einem Fuß auf den anderen.
    »Sam, ich habe schon immer gewusst, dass du ein begnadeter Abschlepper bist.«
    Er lacht unsicher. »Bist du okay?«
    »Klar, mir geht’s gut. Und dir?«
    »Alles in Ordnung.«
    Ich blicke über seine Schulter zu Mark. »Sarah hat mir erzählt, dass du mich in der Nacht vom Footballplatz getragen hast.«
    Mark zuckt die Schultern. »Schön, dass ich helfen konnte.«
    »Du hast mir das Leben gerettet, Mark.«
    Er sieht mir in die Augen. »Ich glaube, jeder von uns hat in der Nacht jemanden gerettet. Zum Teufel, Sechs hat mich aus drei verschiedenen Situationen befreit. Und du hast am Samstag meine beiden Hunde gerettet. Ich würde sagen, wir sind quitt.«
    Ich schaffe es zu lächeln. »Na schön. Ich bin bloß froh, dass du nicht der Blödmann bist, für den ich dich gehalten habe.«
    Er grinst schief. »Sagen wir so: Hätte ich gewusst, dass du ein Alien bist und meinen Arsch zu Brei treten kannst, wäre ich von Anfang an ein bisschen netter zu dir gewesen.«
    Sechs hinkt durchs Zimmer und betrachtet nachdenklich meine Taschen auf dem Schreibtisch. »Wir sollten wirklich los«, sagt sie dann und sieht mich mit unverhüllter Besorgnis an, die ihr Gesicht weich erscheinen lässt. »Nur eins ist nicht getan. Wir haben nicht gewusst, wie du das haben willst.«
    Ich nicke. Ich muss nicht fragen, wovon sie spricht. Ich blickeSarah an. Es geschieht also viel früher, als ich dachte. Mir wird so übel, dass ich glaube, mich übergeben zu müssen. Sarah greift nach meiner Hand.
    »Wo ist er?«
    ***
    Der Boden ist feucht vom schmelzenden Schnee. Sarah und ich laufen Hand in Hand schweigend durch den Wald, der etwa eine Meile vom Hotel entfernt liegt. Sam, Mark und Sechs gehen voraus, sie folgen den schlammigen Spuren, die sie vor ein paar Stunden selbst gemacht haben. Vor uns tut sich eine kleine Lichtung auf, in deren Mitte Henri auf einer Holzplatte liegt. Er ist in die graue Decke von seinem Bett gehüllt. Ich gehe zu ihm. Sarah folgt mir und legt mir die Hand auf die Schulter. Die anderen stehen hinter mir. Ich ziehe die Decke von seinem Gesicht. Es ist aschgrau, die Augen sind geschlossen, die Lippen blau von der Kälte. Ich küsse ihn auf die Stirn.
    »Was willst du tun, John?«, fragt Sechs. »Wir können ihn begraben, wenn du willst. Oder wir verbrennen ihn und äschern ihn ein.«
    »Wie können wir ihn verbrennen?«
    »Ich kann ein Feuer entstehen lassen.«
    »Du beherrschst also nicht nur das Wetter?«
    »Nicht das Wetter. Die Elemente.«
    Ich schaue hinauf in ihr sanftes Gesicht, in dem ich Besorgnis lese, aber auch Zeitdruck: Wir müssen fort, bevor Verstärkung für die Mogadori eintrifft.
    Ich antworte nicht und drehe mich weg. Dann drücke ich Henri zum letzten Mal an mich, lege mein Gesicht dicht an seines und verliere mich in meiner Trauer.
    »Es tut mir so leid, Henri«,
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