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Hurra wir kapitulieren!

Hurra wir kapitulieren!

Titel: Hurra wir kapitulieren!
Autoren: Henryk M. Broder
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wieder Günter Grass klar. Anlässlich der Bewerbung Lübecks zur Kulturhauptstadt Europas schlug er vor, eine Lübecker Kirche zur Moschee umzuwidmen. Das wäre »eine große Geste«, dazu angetan, die Beziehungen zu den Moslems und zugleich die Chancen Lübecks bei der Wahl zur Kulturhauptstadt zu verbessern. »Wieder einmal hatte G. G. den G-Punkt seiner Klientel stimuliert«, schrieb daraufhin Günther Latsch im »Spiegel«, »die im Bestreben, nicht intolerant zu scheinen, einen Masochismus pflegt, der der Selbstaufgabe nahe kommt.«
    Da es in der Bundesrepublik mehr als 2000 Moscheen gibt, hätte G. G. wenigstens ein kleines Geschäft auf Gegenseitigkeit anregen können: Wir wandeln eine Lübecker Kirche in eine Moschee um, wenn zugleich eine Moschee in Riad in eine Kirche umgewandelt wird. Aber so weit mochte Grass nicht gehen, die Idee hätte ihm als Ausdruck »islamophober Arroganz« angekreidet werden können.
    Und so schlug er zwei Mücken mit einer Klappe. Er machte einen pompösen Vorschlag, von dem er genau wusste, dass er umsonst und vergeblich war, und er sorgte für die Zukunft vor. Sollte es zu einem Terroranschlag in der Bundesrepublik kommen, wird Grass aufstehen und sagen: Hätte man damals auf mich gehört und eine Kirche in eine Moschee umgewandelt, wäre es nicht so weit gekommen! Wieder werden wir schuld sein, dass sie so handeln mussten. Und so wird, egal, was passiert, Günter Grass immer Recht behalten.
    Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass Appeasement für das Bemühen dasteht, sich in einer schier ausweglosen Situation ein Minimum an Beweglichkeit zu bewahren. Nachgeben ist immer noch besser als Nichtstun. Das hat sicher auch der britische Außenminister Neville Chamberlain gedacht, als er 1938 mit Hitler das Münchener Abkommen aushandelte, bei dem die Tschechoslowakei dem Frieden geopfert wurde. Der Deal hielt nicht lange vor, ein Jahr später war der Krieg da, aber Chamberlain konnte sich damit trösten, wenigstens einen Versuch zu seiner Verhinderung unternommen zu haben. »Du hast keine Chance, aber nutze sie«, sagt Herbert Achternbusch. Das scheint auch die Maxime der Appeaser von heute zu sein.
    Freilich: Auch die Gegenseite probiert aus, wie weit sie gehen kann. Die Auseinandersetzung um das Kopftuch war so ein Testlauf. Er endete wie der Ritt über den Bodensee: In einigen Bundesländern wurde den Lehrern an öffentlichen Schulen nicht nur das Tragen des Kopftuchs, sondern auch des Kruzifix und der Kipa verboten. Auf den ersten Blick eine salomonische Entscheidung, die auf dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz beruht, auf den zweiten aber eine Absurdität im Interesse der political correctness. Wenn das Tragen einer Kipa und eines Kruzifix eine unzulässige Provokation ist, dann hätte man sie verbieten müssen, bevor die Debatte um das Kopftuch losging. Ist sie es nicht, dann muss man über das Kopftuch und dessen Sinngebung reden, statt eine Generaldebatte um religiöse Symbole zu führen. Es käme auch niemand auf die Idee, die synchrone Entwaffnung sowohl der Polizei wie der Unterwelt zu verlangen, um fair zu allen zu sein und die Gefahr bewaffneter Auseinandersetzungen zu bannen.
    Im Januar 2006 forderten drei Moslem-Väter von Mädchen an einer Linzer Volksschule die Einführung des Kopftuchs - für Lehrerinnen. Die Forderung löste eine Welle der Empörung aus, Sprecher von Schulbehörden und Parteien nannten sie »Wahnsinn« und »inakzeptabel« und plädierten im Gegenzug für ein allgemeines Kopftuchverbot. Aber das war noch nicht alles. Die moslemischen Väter, zwei Bosnier und ein Tschetschene, weigerten sich, die Lehrerinnen mit »Sie« anzusprechen, weil diese eine solche Anrede »als Frauen nicht verdienten«. Darüber hinaus sollten ihre Töchter nicht an Gesangsauftritten teilnehmen, das sei »Prostitution«. Kein Lehrer habe das Recht zu fragen, warum ein Mädchen nicht am Schwimmunterricht teilnimmt. Und überhaupt, die Lehrer sollten froh sein, so viele islamische Kinder zu haben, »sonst müsste man die Schule zusperren«.
    Tatsächlich kommen an der betroffenen Schule drei Viertel der Kinder aus Familien mit einem »Migrationshintergrund«. Die Kinder aus Eingeborenen-Familien sind also in der Minderheit. Insofern war das Verlangen der drei Väter, die Lehrerinnen sollten sich den Bräuchen der Mehrheit anpassen und Kopftuch tragen, nicht unbillig und vermutlich die Folge eines Versäumnisses. Niemand hatte die Moslems bei ihrer
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