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Hotzenplotz 3

Hotzenplotz 3

Titel: Hotzenplotz 3
Autoren: Otfried Preußler
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Räubers aufnehmen. Jede Minute ist kostbar.“
    Er setzte sich vor die Kugel aus Bergkristall. Frau Schlotterbeck nahm auf der anderen Seite des Tisches Platz, Kasperl und Seppel stellten sich hinter Herrn Dimpfelmoser und guckten ihm über die Schulter.
    „Beginnen wir also!“
    Frau Schlotterbeck drehte das Kissen mit spitzen Fingern ein wenig nach links und ein wenig nach rechts, langsam und vorsichtig: da begann sich die magische Kugel aufzuhellen und nahm einen milchigen Schimmer an — als sei sie mit weißem Rauch oder Nebel gefüllt. „Wo wünschen Sie mit der Suche anzufangen?“
    Herr Dimpfelmoser kratzte sich im Genick.
    „Beginnen wir mit dem Weg durch den Räuberwald, der zu seiner Höhle führt!“
    Frau Schlotterbeck drehte das Kissen ein weiteres Stück nach rechts. Der Nebel löste sich auf, das Bild eines Waldes erschien in der Kugel: zunächst noch verschwommen, doch rasch nahm es klare Gestalt an.
    „Der Räuberwald!“ staunte Seppel. „Hier ist die Straße — und dort, an der Biegung...“

    „Wahrhaftig!“ rief Kasperl. „Dort an der Biegung beginnt der Pfad, der zum Alten Steinkreuz führt — und vom Steinkreuz zur Räuberhöhle!“
    Frau Schlotterbeck handhabte ihre magische Kugel mit viel Geschick. Kasperl und Seppel hatten den Eindruck, als ob sie in Windeseile dem Waldpfad folgten: an Himbeersträuchern und Brombeerhecken vorbei, über Wurzelwerk, Steine und Dornenranken, durch dick und dünn. Da war schon die Brücke über den Moosbach — und dort, ein paar Schritte weiter, entdeckten sie Hotzenplotz, wie er durchs Heidekraut stapfte: sie hatten ihn eingeholt.
    „Pscht!“ machte Kasperl. „Ich glaube, er singt sich eins.“
    Die Stimme des Räubers klang weit entfernt, doch die Worte des Liedes waren genau zu verstehen. Es hatte bloß eine einzige Strophe, die Hotzenplotz unentwegt wiederholte:
    „Lustig war das Räuberleben
    In dem grünen Wald, juchhei!
    Trotzdem hab’ ich’s aufgegeben,
    Das ist nun vorbei-zwei-drei!
    Trotzdem hab’ ich’s aufgegeben,
    Das ist nun vorbei.“
    Herr Dimpfelmoser hörte ihm eine Weile mit grimmiger Miene zu, dann brummte er:
    „Alles Schwindel! So laut kann der gar nicht singen, daß ihm die Polizei das glaubt!“
    Mit langen Schritten strebte der Räuber seiner Behausung zu. Die Bretter, mit denen Herr Dimpfelmoser den Eingang vernagelt hatte, riß er herunter. Dann öffnete er die Tür und verschwand.

    Was ließ sich dagegen sagen? Es stand ja in seinen Papieren ausdrücklich, daß er „an seinen ständigen Wohnsitz“ entlassen war.
    „Warten wir ab, was er tun wird“, knurrte Herr Dimpfelmoser.
    Leider reichten die Kräfte der magischen Kugel nicht aus, um Hotzenplotz in das Innere seiner Höhle zu folgen. Es blieb eine Weile still drin — dann hörten sie ein Geräusch, das wie lautes Schnarchen
    klang. Daraus schlossen sie, daß der Räuber sich schlafengelegt hatte.
    Mehrere Stunden verbrachten sie in gespannter Erwartung. Frau Schlotterbeck kochte Tee und bewirtete sie mit Käseplätzchen und Zwiebelkuchen. Es dunkelte schon im Walde, als Hotzenplotz endlich wieder zum Vorschein kam.
    Gähnend verließ er die Räuberhöhle. Er nahm eine Prise Schnupftabak, rieb sich die Nase und nieste ein paarmal. Dann holte er einen Spaten aus dem Gestrüpp, den schulterte er — und sie ließen ihn nicht aus den Augen, bis er vor einem großen Ameisenhaufen stehenblieb.
    Ein Glück, daß der Mond schien!
    So konnten sie trotz der Dunkelheit deutlich erkennen, daß es ein künstlicher Ameisenhaufen war, an dem sich der Räuber nun mit dem Spaten zu schaffen machte.
    Er legte zwei Pulverfässer und eine mit Blech beschlagene Kiste frei.
    Der Kiste entnahm er ein Dutzend Pistolen und mindestens sieben Messer, die steckte er alle in einen großen Sack.
    Dann schob eine schwarze Wolke sich vor den Mond, das Bild in der Kugel verfinsterte sich — und mehr war an diesem Abend beim besten Willen nicht zu beobachten.

Kasperl und Seppel, Frau Schlotterbeck und Herr Dimpfelmoser hatten genug gesehen: nun waren sie felsenfest überzeugt davon, daß Hotzenplotz nicht im Traum daran dachte, sein Leben zu ändern.
    „Friedliche Bürger brauchen kein Schießpulver“, sagte Herr Dimpfelmoser. „Und was er mit seinen Messern und den Pistolen im Sinn hat, kann man sich an zwei Fingern ausrechnen. Es ist höchste Gefahr im Verzug! Morgen vormittag werde ich alles schriftlich zu Protokoll nehmen — und am Nachmittag lege ich fest, welche weiteren
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