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Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)

Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)

Titel: Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)
Autoren: Aurélie Engel
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hoffungslos zu lang, da Jeanne mit fünfzehn Jahren aufgehört hatte zu wachsen und sich nun mit ihren 17 Jahren vermutlich nicht mehr viel daran ändern würde. Zum Schluss fand sie ein taubenblaues Gewand, das kurz genug war, dass sie nicht permanent über den zu langen Saum der Rocke stolpern würde, doch leider war es ihr um den Busen sehr eng. Sie hatte Mühe, die prallen Formen hinter dem geschnürten Mieder zu bändigen, doch mit etwas Raffinesse schaffte sie es zum Schluss. Zurück am Kamin schaute sie ihre Schuhe an und sie sahen vom Regen und den steinigen Straßen so heruntergekommen und kaputt aus, dass sie fand, dass sie nicht zu dem hübschen Kleid passten, also blieb sie einfach barfuß. Sie lehnte sich nah zu dem Feuer herüber und schüttelte ihre Haare bis sie durch die Hitze getrocknet waren. Dann kämmte sie sie erneut mit den Fingern durch, bis sie sich sicher war, auch den letzte Knoten gefunden und beseitigt zu haben. Ihr altes, stinkendes und dreckverkrustetes Kleid warf sie in die Flammen. Dann ließ sie sich vor dem beruhigend prasselnden Feuer nieder und schaute gedankenverloren dabei zu, wie es gierig über den groben Baumwollstoff herfiel und ihn zischend zerfraß.
     
    Plötzlich hörte sie das Poltern von Stiefeln und erschrocken sprang sie auf. Da war er wieder. Ihr Herz begann zu klopfen und sie krallte ihre Hände in die Falten des Kleides.
    Die Tür flog auf. Jeanne schluckte und rechnete mit dem Schlimmsten
    Der Mann im Türrahmen prallte zurück, als habe sie ihn mit einem Ast vor den Kopf geschlagen. Seine Augen sondierten den Raum, als wolle er sich versichern, dass tatsächlich nur zwei Personen im Raum waren. Wieder glitt sein Blick zu ihr. Dann schaute er sich nochmal ungläubig um, fast so, als könne er nicht glauben, dass sie es war, die er hier eingesperrt hatte. Er machte zwei schnelle Schritte auf sie zu, doch dann blieb er wieder stehen. Jeanne fühlte, wie er sie ansah und zuerst senkte sie beschämt den Blick, doch als er sich einfach nicht mehr rührte, wanderten ihre Augen von den eigenen nackten Füßen hinüber zu den Spitzen seiner Stiefel. Von dort aus fanden sie ihren Weg ein paar lange, kräftige Beine hinauf bis zu schmalen Hüften, die von dem Bund einer Reithose umschlossen wurden. Ein locker sitzendes Hemd lag um breite Schultern und verdeckte vermutlich einen ebenso wohlproportionierten Oberkörper. Die Haut seines Halses war leicht gebräunt und Jeannes neugieriger Blick wanderte weiter. Sie sah hinauf in sein Gesicht und für einen Moment lang verstummten alle Geräusche um sie herum und zurück blieb nur noch ein sanftes Rauschen in ihren Ohren. Er war nicht alt. Und er war auch nicht hässlich. Zuerst dachte sie, er könne nicht echt sein, nicht wirklich hier, ihr Verstand würde ihr einen Streich spielen. Gleich würde das Trugbild zu einem Nebel verschwimmen und ihren wahren Peiniger zeigen. Er konnte nur ein Wunschprodukt ihrer Angst sein, ein Fantasiebild, um sie in ihrem grausamen Schicksal noch ein paar Momente entkommen zu lassen. Erst als er sich räusperte und schluckte, wusste sie, dass er kein Traum gewesen war.
    Er starrte sie an und sie starrte ebenso zurück. Sein Gesicht war scharf geschnitten und faltenfrei, der Mund sinnlich geschwungen, mit einem arroganten, harten Zug und seine tiefgrünen Augen wanderten an ihr hinauf und hinab. Das pechschwarze Haar war glatt und glänzte schwach im Schein des Feuers. Wieder setzte er sich in Bewegung, doch sein Gang war langsam und lauernd, fast wie ein Jäger auf der Pirsch. Die Augen hatte er zu schmalen Schlitzen gezogen und sie sah, wie sein Körper sich anspannte, während er immer näher kam. Jeanne hatte das Gefühl, dass er ebenfalls glaubte, einem Trugbild gegenüber zu stehen. Ihr Atem wurde schneller, als sie auf seine rechte Hand sah, mit der er sie immer so grob zu fassen pflegte, um sie dann hinter sich her zu ziehen, als wäre sie eine störrische Ziege.
     
    Kurz vor ihrem Körper blieb er stehen. Sie hörte ihn angespannt atmen und Jeanne wagte es nicht hochzusehen, obwohl sie nichts lieber getan hätte als ihn erneut zu betrachten. Er rührte sich nicht, doch sie fühlte seinen intensiven Blick. Wieder schaute sie auf seine Hand. Es sah nicht so als, als wolle er sie wieder so grob berühren, also nahm sie ihren Mut zusammen und sah wieder zu ihm hoch. Ihre langen Haare glitten nach hinten und als ihre Blicke sich trafen, hörte sie, wie er zischend ausatmete. Er presste die
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