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Hör mal, Oma! Ich erzähle Dir eine Geschichte vom Advent (German Edition)

Hör mal, Oma! Ich erzähle Dir eine Geschichte vom Advent (German Edition)

Titel: Hör mal, Oma! Ich erzähle Dir eine Geschichte vom Advent (German Edition)
Autoren: Elke Bräunling
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Eisblumensternenstrauß macht unsere wintertriste Straße ein Stück heller.
    Gar nicht satt sehen konnten sie sich an diesen glitzernden, im Sonnenlicht fast golden funkelnden Eissternen. Gleich waren auch ihre Gedanken ein wenig heller als sonst, ihre Herzen klopften ein bisschen und sie fingen an, sich zu freuen. Verzückt bestaunten sie das Weihnachtswunder an diesem sonst so hässlichen Fenster. Ärger, Sorgen, Stress, Hektik und all die Dinge, die sich zuvor in ihren Köpfen festgeklammert hatten, waren auf einmal nicht mehr wichtig.
    „Jetzt kann Weihnachten kommen!“, rief jemand und alle nickten.

Das Weihnachtslächeln im Bus

    Alle nannten ihn Herr Neverlaugh. Mit richtigem Namen hieß er Becker und war Busfahrer. Er war ein komischer Kauz - korrekt, pünktlich, stur und in allem peinlich genau: stets der gleiche dunkle Anzug, die akkurat sitzende Krawatte, ein starrer, unbeweglicher Blick, aufeinander gepresste Lippen und griesgrämige Miene, ein ungnädiges ´Morgen´ oder ´Tach´ zur Begrüßung.
    So begegneten wir ihm Tag für Tag, und nie hatte sich etwas an ihm verändert. Niemals erhellte ein Lächeln sein Gesicht, nie zeigte er eine Spur von Ärger oder Wut. Da konnten wir noch so laut toben, es gelang uns nicht, ihn zu provozieren. So sehr wir uns bemühten, ihn aus der Reserve zu locken - er war nicht aus der Fassung zu bringen. Und das machte uns immer neugieriger. Er reizte uns dadurch, dass er nichts tat. Viele Gerüchte kursierten über ihn, doch keines konnte unsere Neugierde befriedigen. Wir gaben nicht auf, ihn zu provozieren, aber wir hatten kein Glück.
    Dann kam jener seltsame Dezembertag kurz vor Weihnachten. Es war ein verregneter Spätnachmittag, und Herr Neverlaugh begrüßte uns wie immer mit einem mürrischen `Tach´. An jenem Tag entsprach diese Begrüßung unserer Schlechtwetterstimmung. Sie erschien uns genauso öde wie die schmierig nasse Stadt und sie passte sich den verschlossenen, bleichen Gesichtern der Menschen an, die durch das Gewühle hasteten. Nirgends war eine Spur von vorweihnachtlicher Stimmung, von Vorfreude zu sehen. Alles war trist und grau. Selbst die weihnachtlichen Glitzerketten und Tannenbäume verbreiteten nur ein zaghaft düsteres Licht. Warum also sollte Herr Neverlaugh ausgerechnet an einem Tag wie diesem eine fröhliche Miene aufsetzen?
    Pünktlich fuhren wir los. Die Fahrgäste hingen größtenteils ihren Gedanken nach. Nur leises Murmeln unterbrach ab und zu diese ungemütliche Stille. Alles war wie immer.
    Wieder stoppte der Bus, und ein alter Mann stieg ein. Er musste fremd hier sein, denn wir hatten ihn noch nie gesehen. Erfreut über diese Abwechslung musterten wir ihn. Er war ärmlich gekleidet mit geflickter Jacke, abgetragenen Hosen und einem Schlapphut. Über der Schulter trug er einen zerschlissenen Jutesack. Er sah aus wie ein Landstreicher, aber irgendwie schien er es doch nicht zu sein.
    In seiner ganzen ´Pracht´ baute sich dieser seltsame Fahrgast vor Herr Neverlaugh auf und sagte: “Ich habe kein Fahrgeld und ich brauche auch keines. Ich bin der Weihnachtsmann.”
    “Phhh! Er ist der Weihnachtsmann!” Laut grölten wir los. Etwas Besseres war dem Alten wohl auch nicht als Ausrede eingefallen. Wie würde unser Herr Neverlaugh darauf reagieren? Gebannt harrten wir der Dinge.
    Herr Neverlaugh stierte den neuen Fahrgast an - regungslos, eine Minute, zwei ...
    “Jetzt schmeißt er ihn ´raus!”, raunte jemand.
    Doch nichts geschah.
    Endlich zuckte Herr Neverlaugh zusammen, schüttelte wie erwachend den Kopf und sah sich um, als glaubte er, ganz woanders zu sein. Dann überzog ein Lächeln sein Gesicht. Er stand auf, verbeugte sich vor dem alten Mann und sagte:
    “Im Namen aller Fahrgäste heiße ich Sie, lieber Weihnachtsmann, herzlich Willkommen und wünsche Ihnen eine angenehme Fahrt.”
    Er lächelte noch, als er sich wieder ans Steuer setzte und losfuhr. Langsam zockelten wir aus der Stadt hinaus.
    Wir starrten uns an, fassungslos. Dieser komische Alte hatte es geschafft, was uns trotz aller Bemühungen nie gelungen war: Herr Neverlaugh hatte gelacht, na ja, gelächelt...
    Ein Weihnachtswunder?
    Unauffällig musterten wir den Alten. Der saß still auf seinem Platz, den Sack neben sich auf dem Sitz, und sah aus dem Fenster. Er lächelte. Nichts Wunderbares, Außergewöhnliches haftete ihm an. Dennoch konnte ich mich plötzlich auf Weihnachten und auf die feierliche Zeit der Vorfreude freuen. Den anderen im Bus schien es ähnlich
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