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Historical Exklusiv Band 06

Historical Exklusiv Band 06

Titel: Historical Exklusiv Band 06
Autoren: Caryn Cameron Merline Lovelace
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die Grafschaft verlassen, als Sarah noch jung genug gewesen war, um kurze Röcke zu tragen. Seitdem hatte Papas Streben, das Wort Gottes in der Welt zu verbreiten, sie zu einer ganzen Reihe exotischer Außenposten in Übersee geführt. Sarah wusste, dass der von seiner Aufgabe überzeugte Missionar zu Beginn seiner Arbeit durchaus einige Erfolge zu verzeichnen hatte und in den ersten Jahren stolz auf eine große Anzahl zum Christentum Konvertierter blicken konnte.
    Nach Mamas Tod jedoch, nur wenige Wochen nach Charlies Geburt, war Papa so exzentrisch geworden, was seine Hingabe an den missionarischen Dienst für den Herrn betraf, wie er jetzt war. Es gab in der Tat kein anderes Wort dafür, wie Sarah bedauernd feststellte. Heutzutage entschwand die Familie vollkommen seinem Gedächtnis, sobald der Ruf ihn ereilte. Und dasselbe geschah mit seinem gesunden Menschenverstand.
    Der presbyterianische Ältestenrat hatte ihn nun schon zweimal angeschrieben und ihm dringend ans Herz gelegt, seinen Eifer künftig zu zügeln. Ein weiterer Zwischenfall könnte Papas Rückruf aus China bedeuten und für die Familie den Verlust des ohnehin schon mageren Einkommens. Doch er hatte alle diese Warnungen in den Wind geschlagen, als er von einem Mandarin in der Provinz Fukien hörte, der mehr über den Gott der Barbaren zu erfahren wünschte. Ohne Rücksicht auf seine eigene Sicherheit, die Sorgen seiner Familie und sogar den Erlass des chinesischen Kaisers, das Ausländern das Reisen ins Innere des Landes untersagte, war der Reverend aufgebrochen.
    Sarah musste ihn unbedingt finden und nach Hause zurückbringen, ehe Lord Blair von dieser unerlaubten Exkursion etwas erfuhr. Und um ihren Vater möglichst bald zu finden, brauchte sie die Hilfe des berüchtigtsten Kapitäns, der das südchinesische Meer befuhr – denn er war der beste.
    Mit entschlossener Miene passte Sarah ihren Schritt dem unsicheren Gang ihrer kleinen Lotsin an. Innerhalb weniger Minuten hatten sie die Tore der Christlichen Stadt, wie die von Mauern umgebene europäische Enklave Macaos auch genannt wurde, hinter sich gelassen und waren nach Mong Ha gelangt, dem ausgedehnten, unüberschaubaren chinesischen Stadtteil. Die Atmosphäre der von Menschen wimmelnden Straßen, das bunte Treiben und die zahlreichen Düfte und Gerüche nahmen sie augenblicklich gefangen.
    Bezopfte Händler trugen schwer an dampfenden Eimern mit Reis und Gemüse und boten unüberhörbar ihre Waren feil. In kleinen Läden mit schmutzigen Böden wurden Streifen von Entenund Schweinefleisch auf Kohleöfen gebraten. Geldwechsler mit Rollen von Kupfermünzen und tragbaren Waagen, auf denen sie Silber abmaßen, priesen lautstark ihre Dienste an, während Kräuterhändler, Hausierer und Wasserträger sich mit den Ellbogen ihren Weg durch die Menge bahnten. Kinder schrien, Hunde bellten, und große, übel riechende Schweine schnüffelten in der Gosse herum.
    Sarah war darauf bedacht, ihren Kopf stets gesenkt zu halten, und spähte nur unter der breiten Hutkrempe mit großem Interesse hervor. In all den Jahren, die sie in Macao verbracht hatte, war sie nur zweimal in Mong Ha gewesen – einmal, um Not leidenden Familien Essen zu bringen, deren Hütten von einem Taifun zerstört und ins Meer gefegt worden waren, und das andere Mal, um sich zu vergewissern, dass ihr Koch, der zu jener Zeit erkrankt war, von seiner Familie gut versorgt wurde. Jedes Mal hatte ein aufgebrachter chinesischer Beamter sie zurückgeleitet bis zum Tor der Christlichen Stadt. Durch ein Dekret des Kaisers, erlassen in der Hauptstadt, Tausende Meilen von hier entfernt, war es europäischen Frauen untersagt, ihren Fuß auf chinesische Erde zu setzen. Von diesem Verbot ausgenommen war nur die drei Meilen lange Halbinsel, auf der sich die portugiesische Handelsniederlassung befand.
    Der Reverend Josiah Abernathy glaubte fest daran, dass dieser empörende Erlass das Werk der im Zölibat lebenden Jesuiten war, die seit etwa einem Jahrhundert großen Einfluss auf die chinesischen Kaiser ausübten. Sarah selbst vermutete, dass das Verbot wesentlich naheliegendere und einfachere Gründe hatte. Es war eine Tatsache, dass die Mode der Europäerinnen die sittsamen Chinesen erschreckte. Die Chemiesenkleider mit ihren hohen Taillen und den tiefen Ausschnitten, die die französische Kaiserin Josephine vor einigen Jahren populär gemacht hatte, stellten die weibliche Figur auf schamlos unverhüllte Weise zur Schau. Selbst die konservativeren Kleider
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