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Hiobs Brüder

Titel: Hiobs Brüder
Autoren: Rebecca Gablé
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tun, und ich schätze, das ist das Letzte, was du willst.«
    Regy lachte wieder in sich hinein, aber es klang nicht mehr ganz so vergnügt. »Oh, Losian, Losian. Auf welch hohes Ross du dich schwingst.« Und an Simon gewandt fügte er hinzu: »Du musst wissen, Losian hat sich zu meinem Richter und Wärter erhoben. Er hat befunden, dass ich selbst unter den Verstoßenen noch verstoßen werden muss. Weil ich verrückt sei. Sagt der Mann, der nicht einmal seinen eigenen Namen weiß.«
    Losian stellte den Wasserkrug einen Fuß außerhalb des Kreises ab. »Simon, ich würde gern gehen.«
    Simon nickte, warf ihm einen nervösen Blick zu und trat noch einen kleinen Schritt weiter vor, um den Brotfladen abzulegen. Aber Losian riss ihn am Ärmel zurück und nahm ihm das Brot aus der Hand. Erst als Simon sich außerhalb der Gefahrenzone befand, legte er den Brotfladen auf den Wasserkrug, um ihn vor dem Dreck am Boden zu schützen.
    Regy beobachtete ihn, richtete den Blick dann auf Simon und machte: »Buh!«
    Kopfschüttelnd wandte der Junge sich zur Tür. Losian folgte ihm. »Gesegnete Mahlzeit, Regy.«
    »Ich werde dich töten, Losian«, teilte Regy ihm leutselig mit. »Meine Stunde wird kommen, eines Tages. Wir haben ja Zeit, du und ich, nicht wahr? Ich habe mir schon allerhand für dich einfallen lassen. Wir werden es ganz gemächlich angehen. Es wird einen ganzen Tag und eine ganze Nacht dauern. Du wirst mein Meisterstück.«
    »Ich fühle mich geehrt«, gab Losian gelangweilt zurück, aber er unterdrückte nur mit Mühe ein Schaudern. Ohne Regy aus den Augen zu lassen wartete er, bis Simon hinausgetreten war. Dann folgte er ihm und schloss die Tür. Er tat es ohne Schwung, aber das Poltern von Holz auf Holz war dennoch befriedigend.
    Schweigend gingen sie die Motte hinab. Erst als sie wieder im unteren Burghof standen, fragte Simon: »Was hat er getan?«
    »Das willst du nicht wissen«, antwortete Losian kurz angebunden.
    »Aber … wenn er Menschen getötet hat, warum ist er dann hier und nicht aufgehängt worden?«
    »Weil er ist, wer er ist. Seine Opfer waren Bauern. Er hat nie vor einem Richter gestanden.«
    »Wieso bist du so zugeknöpft?«, gab der Junge hitzig zurück, viel verwegener als noch vor einer Woche. »Ich bräuchte nur Wulfric und Godric zu fragen, die erzählen es mir sicher.«
    Dann frag sie, lag Losian auf der Zunge. Er sprach nicht gern über Regy, und er dachte auch nicht gern an ihn. Doch er befürchtete, die Zwillinge würden maßlos übertreiben und die Wahrheit, die weiß Gott schauderhaft genug war, grundlos aufbauschen und verzerren, denn manchmal überkam sie die Lust am Fabulieren, vor allem Godric. Das war eben ihre Art, sich die quälende Langeweile zu vertreiben. Aber Losian wollte nicht, dass sie Simon irgendwelche verrückten Schauergeschichten auftischten.
    »Er war ein einflussreicher Mann mit beträchtlichen Ländereien unweit von York«, berichtete er, während sie zum Brunnen hinüberschlenderten. »Sie lagen weit verstreut, und er hielt sich auch häufig in der Stadt auf, denn der Kastellan der Burg ist sein Cousin. So konnte er lange geheim halten, was er trieb. Er ging zu den Bauern in seinen Dörfern oder zu armen Leuten in der Stadt und verlangte einen Sohn oder eine Tochter als Stallknecht, Küchenmagd, was weiß ich. Weil er gutes Geld bot, willigten die meisten dankbar ein. Es waren immer Knaben oder Mädchen in deinem Alter, die er sich holte. Und sie alle verschwanden spurlos.«
    »Er hat …« Simon schluckte, versuchte es aber tapfer noch einmal: »Er hat sich an ihnen vergangen und sie dann getötet?«
    »Ja.«
    »Wie viele?«
    »Ein Dutzend, sagt er. Vielleicht hat er ein wenig übertrieben, um aufzuschneiden. Ich weiß es nicht. Aber wenn je ein Mann von bösen Mächten besessen war, dann ist es Regy, Simon. Ein verzweifelter Vater wandte sich schließlich an den Dorfpfarrer, und weil der die Geschichte schon zum zweiten Mal hörte, wandte der Pfarrer sich an den Archidiakon des Erzbischofs von York. Der tat das Ganze natürlich als abergläubisches Geschwätz dummer Bauern ab und weigerte sich, einen so angesehenen Edelmann wie Reginald de Warenne mit diesen haltlosen Vorwürfen zu behelligen. Doch aus irgendeinem Grunde zog er offenbar ein paar diskrete Erkundigungen ein.« Losian schöpfte einen Eimer Wasser und füllte den Inhalt in einen Holzbottich um, der neben dem Brunnen stand. Den Bottich hob er auf und trug ihn zu seiner Hütte hinüber.
    »Und die
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