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Hinter blinden Fenstern

Hinter blinden Fenstern

Titel: Hinter blinden Fenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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der Kälte, in der Nacht, aber es schneite nicht. Es hat verflucht und ewiglich verflucht nicht geschneit, und alles war umsonst. Und ich hab ihr schwören müssen, daß ich den Club trotzdem eröffne. Auch wenn sie nicht dabei sein kann. Ich hab zu ihr gesagt: Du wirst dabei sein. Und sie hat gesagt: Du sollst nicht lügen, das ist Sünde. Sünde? Wer bestimmt, was Sünde ist? Sie? Der Mann da oben? Ich weiß schon, daß ich gelogen hab. Ich hab gelogen, weil es nicht geschneit hat. Was verstehen Sie davon? Sie wollen bloß, daß ich sage, daß ich den Mann im Müllhaus erschlagen hab. Ja, ich hab den Mann im Müllhaus erschlagen, weil er meinen Weg gekreuzt hat, ich kenn den Mann nicht. Wen hat er geschlagen? Jetzt ist er selber erschlagen worden. Besser war gewesen, er wär mir aus dem Weg gegangen. Und vielleicht, Herr Fischer, hätt ich ihn gar nicht bemerkt, wenn da nicht die Katze gewesen wär. Das Anhalterphantom. Plötzlich miaut die und hört nicht mehr auf und miaut in der Nacht und rennt mir gegen die Beine. Und da seh ich den alten Mann, und der alte Mann kommt näher, und ich sag: Hau ab. Und er fragt mich, was ich da mach und wer das ist, den ich da hinter mir herschlepp, und ich sag: Hau ab. Aber er klammert sich an mich und zerrt an mir rum. Ich muß den anderen alten Mann loslassen, der war ja schon tot, und schlag dem Besoffenen ins Gesicht. Der taumelt gleich. Und fragt mich, ob ich was zu trinken hab. Ich hab gedacht, ich hab mich verhört. Und er winselte und heulte und grabschte mir an den Busen. Ich hab ihn gepackt und ins Müllhaus geschleift und ihn mit irgendwas geschlagen. Und weil er immer weiter gewinselt hat, hab ich ihn in einen Container gestopft, und dann war Ruhe. Und als ich rauskam, hockte das Anhalterphantom da und glotzte mich an, und ich dachte, das Vieh hat Silber in den Augen. Den alten Mann, den ich im Hof abgelegt hatte, hab ich in meinen Mazda verfrachtet. Ich fuhr in den Perlacher Forst und verbuddelte ihn, und so wird er nie nie nie wieder versuchen, meinen Weg zu kreuzen und mich dran zu hindern, Dinahs Leben zu vollenden, das sie mit dreiunddreißig Jahren hat verlassen müssen. Und Sie sagen, da sitzt ein Gott und hat Gnade. Und Sie sagen, wie schön, daß Gott uns tätschelt, wenn wir weinen. Nein. Wir haben nicht geweint, weil wir wußten, was wußten wir? Da ist kein Tätscheler weit und breit. Der alte Herr Gregorian. Mit seiner verkrüppelten Hand und seinem verkrüppelten Bein und seiner ganzen verkrüppelten Gestalt geht er hin und ersticht meinen Mann. Das hat er noch gestanden, bevor er stammelte: Das tut weh, das tut weh. Ja, sie stammeln am Ende. Auch der Penner, den ich nicht kannte. Er wollte meine Handschuhe haben, er hat sie mir von den Händen gerissen, wer war der Kerl? Was hat der in der Nacht in unserem Innenhof zu suchen? Niemand stellt sich uns in den Weg. Haben Sie noch eine Frage, Herr Fischer, ich muß zurück in meinen Club.«
    »Sie haben zwei Menschen getötet, Sie werden nie wieder in Ihrem Club arbeiten.«
    »Aber das muß ich, das hab ich Dinah geschworen. Wollen Sie, daß ich mich gegen sie versündige?«
    »Ist Ihnen bewußt, daß Sie gerade ein Geständnis abgelegt haben?« sagte Fischer.
    Clarissa Weberknecht stemmte die Hände in die Hüften und streckte den Busen vor. »Das war doch kein Geständnis. Ich hab niemanden ermordet, ich hab die Luft gesäubert und die Straße gefegt.«
    Zum vergitterten Fenster blickte sie erst, als das metallische Geräusch in ihren Ohren verklungen war. Während die Minuten vergingen und sie dastand, mit dem Rücken zur verriegelten Tür, vor dem schmalen Bett, das ihr sofort viel zu schmal, viel zu hart, viel zu schmuddelig vorkam, dachte sie an ihr Leben.
    In der rechten Hand hielt sie ihren Waschbeutel, in der linken das graue Handtuch, das ihr die Vollzugsbeamtin gegeben hatte, deren Gesicht sie vollständig vergessen hatte. Zuvor hatte ein Mann namens X an ihrer Wohnungstür geklingelt, und als sie die Tür öffnete, wußte sie alles sofort. Sie hatte es von Anfang an gewußt, aber sie hatte beschlossen, es nicht wissen zu wollen.
    So wie Dinah.
    Alles so wie Dinah.
    Keinen Meter bewegte Clarissa Weberknecht sich von der Stelle. In der Zelle des Polizeipräsidiums, wohin sie von den beiden Kommissaren gebracht worden war, roch es nach nichts. Darüber wunderte sie sich ein wenig.
    Dann dachte sie an Mika, an Eva, Sonja und Nadine, die dieses Wochenende noch ohne sie schaffen würden, bevor die

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