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Himmelsschwingen

Himmelsschwingen

Titel: Himmelsschwingen
Autoren: Jeanine Krock
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stellte der Kellner den bestellten Espresso Latte schwung voll vor ihr abstellte, sodass der Kaffee unter dem Schaum hervorschwappte. Ungerührt verlangte er eine beachtli che Summe für das nunmehr nur halb volle Glas, ohne sich zu entschuldigen oder gar Anstalten zu machen, die braune Flüssigkeit fortzuwischen, die langsam der Tischkante entgegenfloss. Iris rückte ein wenig näher an Samjiel heran, sorgte sich aber keineswegs um mögliche Flecken auf ihrer ohnehin reichlich ramponierten Jeans, sondern blinzelte ihn an. »Würdest du vielleicht …?«
    »Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.« Unbewusst half ihr der Kellner mit seinem unfreundlichen Drängen.
    »Ich mach das.« Samjiel langte in seine Hosentasche, holte einige Scheine heraus und drückte sie dem Mann in die Hand. Der griff danach und zählte erst nach, als er schon zum nächsten Gast unterwegs war.
    »Danke, das war nett!«, sagte Iris und fügte leiser hinzu: »Wer hätte das gedacht?«
    Auf ihren leichten Ton ging er nicht ein. »Was für ein Spiel wird das?«
    »Spiel?« Sie sprang auf den Gehweg, wo jemand die Linien eines alten Hüpfspiels mit Kreide aufgemalt hatte. »Huch, jetzt bin ich in der Hölle gelandet.« Mit betrübter Miene sah sie auf ihre Füße. »Aber zum Glück nur mit dem großen Zeh!«
    »Iris!«
    Zum ersten Mal war es ihr gelungen, eine Emotion zu provozieren. Wenn auch nicht unbedingt eine positive. Er klang alles andere als amüsiert.
    »Ach, sei doch kein Langweiler. Ich bin gerade angekommen.« Gekonnt übersprang sie das Feld Erde und begann von vorn. »Bis ich Genaueres über meinen Job erfahre, kann es noch Tage dauern.«
    Selbstverständlich war ihm bekannt, dass Wächterengel, anders als er selbst, jedes Mal nackt wie ein Neugeborenes auf der Erde ankamen und erst zusammen mit ihrem Auftrag eine passende Identität, Geld und neuerdings sogar Ausweispapiere erhielten. Das Elysium allein wusste, woher diese Ausrüstung stammte.
    Sie hob die Hände und lächelte. »Du hast auch nichts zu tun, wie es scheint. Warum sollten wir die Wartezeit nicht gemeinsam verbringen? Ich könnte dir die Stadt zeigen«, fügte sie hinzu, als müsste sie ihren Vorschlag näher erklären, setzte sich wieder und lehnte sich zurück. Dabei gab sie vor, es gäbe im Augenblick nichts Interessanteres für sie als die Flaneure auf der prachtvollen Einkaufsstraße.
    Zuerst passierte nichts. Iris’ Geduld würde wohl in Zukunft häufiger gefragt sein. Eine Disziplin, in der sie noch nie zu den Besten gehört hatte. Die Spatzen, die sie eben noch so trefflich unterhalten hatten, waren weitergezogen, der Himmel hatte sich sein schönstes Abendkleid übergestreift. Die Zeit macht heute merkwürdige Sprünge , dachte Iris und fragte sich, ob das etwas zu bedeuten hatte.
    »Warum?«, fragte er.
    Fast hätte sie das Zwinkern übersehen. Iris richtete sich in ihrem Sessel auf. Er hatte angebissen, nun musste sie nur noch dafür sorgen, dass der Fisch auch an der Angel blieb. »Befasst du dich lieber mit Sterblichen?« Dabei ließ sie eine Spur Trotz und Unsicherheit in ihren Worten mitschwingen.
    Die Hand, mit der er sein Glas hob, wirkte nicht ganz ruhig. »Unsinn!« Seine Stimme war die eines Engels. An den Nachbartischen verstummten die Gespräche. Als bemerkte er nicht, was er angerichtet hatte, stand er auf und reichte ihr die Hand. »Also gut, was hast du vor?«
    Iris ignorierte das Kribbeln, das schneller als ein Flä chenbrand von ihrem Körper Besitz ergriff, als sie sich berührten.
    Eben hatte sie einfach dahingesagt, was ihr gerade in den Sinn gekommen war. Nun überlegte sie, womit er aus der Reserve zu locken wäre, ohne dass er gleich das Weite suchte. Es war ja nicht so, als würde er das irdische Leben überhaupt nicht kennen. Andererseits wusste sie, wie Michaels Soldaten normalerweise arbeiteten: Sie erledigten ihren Auftrag möglichst effizient und vermieden längere Aufenthalte außerhalb des Himmels. Wahrscheinlich, um nicht in Versuchung zu geraten , dachte sie amüsiert.
    Es dauerte eine Weile, bis ihr bewusst wurde, wie ungewöhnlich es war, dass Engel – und dann noch eine Wächterin und ein Vertreter der Gerechten – Seite an Seite durch diese Welt schlenderten. Nun, ganz so romantisch, wie es auf den ersten Blick aussah, war die Situation nicht, denn eigentlich zerrte sie ihn hinter sich her. Was bei genauerer Betrachtung geradezu skandalös war. Rasch ließ sie seine Hand los und blieb stehen. Das Kribbeln wurde sofort
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