Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)

Titel: Himmel und Hölle: Neun Erzählungen (German Edition)
Autoren: Alice Munro
Vom Netzwerk:
Spalt.
    »Ich kann Ihnen ja einen Kaffee machen«, sagte sie zu Grant.
    Er sagte: »Ja, gern.«
    »Mein Sohn hat ihn vor einem Jahr zu Weihnachten auf den Sportsender abonniert. Ich wüsste gar nicht, was wir ohne den anfangen sollten.«
    Auf den Stellflächen der Küche befanden sich alle möglichen Elektrogeräte und Arbeitshilfen – Kaffeemaschine, Küchenmaschine, Messerschärfer und weitere Gerätschaften, deren Bezeichnungen und Funktionen Grant unbekannt waren. Alle sahen neu und teuer aus, als seien sie gerade aus ihrem Karton geholt worden und würden täglich geputzt.
    Er kam auf die Idee, dass es vielleicht gut wäre, alles zu bewundern. Er bewunderte die Kaffeemaschine, die sie benutzte, und sagte, so eine hätten sich Fiona und er früher anschaffen wollen. Was absolut nicht stimmte – Fiona hatte auf ein europäisches Maschinchen geschworen, das nur zwei Tassen auf einmal produzierte.
    »Die haben sie uns geschenkt«, sagte sie. »Unser Sohn und seine Frau. Sie wohnen in Kamloops, British Columbia. Sie schicken uns mehr Zeug, als wir gebrauchen können. Es könnte nicht schaden, wenn sie das Geld stattdessen dafür ausgeben würden, uns zu besuchen.«
    Grant sagte philosophisch: »Sie haben wahrscheinlich genug mit ihrem eigenen Leben zu tun.«
    »Sie hatten nicht genug zu tun, um letzten Winter nach Hawaii zu fahren. Man könnte es ja verstehen, wenn wir jemand anders in der Familie hätten, der näher wohnt. Aber er ist der Einzige.«
    Als der Kaffee fertig war, goss sie ihn in zwei braun-grüne Keramikbecher, die sie von den amputierten Ästen eines Keramikbaumstamms auf dem Tisch nahm.
    »Die Menschen werden einsam«, sagte Grant. Er meinte jetzt seine Chance zu sehen. »Wenn man ihnen verwehrt, jemanden zu sehen, an dem sie hängen, dann werden sie traurig. Fiona zum Beispiel. Meine Frau.«
    »Ich dachte, Sie hätten gesagt, Sie besuchen sie.«
    »Das tue ich auch«, sagte er. »Aber darum geht es nicht.«
    Dann wagte er den Sprung ins kalte Wasser und trug die Bitte vor, deretwegen er gekommen war. Könnte Sie in Erwägung ziehen, Aubrey vielleicht nur einmal in der Woche zu einem Besuch zurück nach Wiesensee zu fahren? Es war nur eine Fahrt von wenigen Kilometern, das dürfte bestimmt nicht allzu schwierig sein. Oder wenn sie ein wenig Freizeit haben wollte – Grant war das vorher nicht eingefallen, und es ärgerte ihn, sich das jetzt vorschlagen zu hören –, dann konnte er selbst Aubrey dorthin fahren, es würde ihm überhaupt nichts ausmachen. Er war sicher, das schaffen zu können. Und sie konnte eine Pause gut brauchen.
    Während er sprach, bewegte sie die geschlossenen Lippen und ihre verborgene Zunge, als versuchte sie, einen merkwürdigen Geschmack zu identifizieren. Sie brachte ihm Milch für den Kaffee und einen Teller mit Ingwerkeksen.
    »Selbst gebacken«, sagte sie, als sie den Teller hinstellte. Es klang eher nach Herausforderung als nach Gastfreundlichkeit. Sie sagte nichts weiter, bis sie sich hingesetzt, sich Milch in den Kaffee getan und umgerührt hatte.
    Dann sagte sie nein.
    »Nein. Das kann ich nicht machen. Und der Grund ist, ich will ihn nicht durcheinander bringen.«
    »Würde ihn das durcheinander bringen?«, fragte er ernst.
    »Jawohl, das würde es. Das geht nicht. Ihn nach Hause holen und dann zurückbringen. Nach Hause holen und dann zurückbringen, das verwirrt ihn nur.«
    »Aber er würde doch verstehen, dass es nur ein Besuch ist? Würde er sich nicht an die Regelmäßigkeit gewöhnen?«
    »Er versteht alles ganz gut.« Sie sagte das, als hätte er über Aubrey etwas Beleidigendes geäußert. »Aber es ist trotzdem eine Unterbrechung. Und dann muss ich ihn zurechtmachen und ins Auto schaffen, und er ist ein großer Mann, es ist nicht so leicht, mit ihm fertig zu werden, wie Sie vielleicht denken. Ich muss ihn ins Auto bugsieren und seinen Rollstuhl einpacken und so weiter, und wofür? Wenn ich mir schon all die Mühe mache, fahre ich lieber an einen Ort, der unterhaltsamer ist.«
    »Selbst, wenn ich das übernehme?«, sagte Grant in hoffnungsvollem und vernünftigem Ton. »Es stimmt, Sie sollten nicht die Mühe damit haben.«
    »Das können Sie gar nicht«, sagte sie entschieden. »Sie kennen ihn nicht. Sie werden nicht mit ihm fertig. Er würde sich das gar nicht von Ihnen gefallen lassen. So viel Plackerei, und was hätte er davon?«
    Grant fand es besser, Fiona nicht mehr zu erwähnen.
    »Es wäre sinnvoller, mit ihm ins Einkaufszentrum zu fahren«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher