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Hexensturm

Hexensturm

Titel: Hexensturm
Autoren: Yasmine Galenorn
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»Chase, Hyto treibt sich hier in der Gegend herum.«
    Chase warf mir einen scharfen Blick zu. »Smokys Vater? Hier? In Seattle?« Ein leicht verwunderter Ausdruck breitete sich über sein Gesicht, vielleicht auch Fassungslosigkeit. »Du machst wohl Witze.«
    »Schön wär’s. Anscheinend braut sich schon Ärger zusammen. Und wir wissen, dass er es auf Smoky und mich abgesehen hat. Wir haben erst heute Abend erfahren, dass er hier ist. Ich schäme mich nicht, dir zu sagen, dass ich eine Scheißangst habe, Chase. Drachen sind gefährlich – alle. Sogar Smoky. Und Shade, obwohl er nur halb Drache ist. Aber ein Drache, der einen solchen Groll hegt … Hyto hat mir schon bei unserer ersten Begegnung gedroht. Und ich weiß, dass er mehr als nur fähig ist, diese Drohungen wahr zu machen.«
    Schaudernd ließ ich das Thema fallen. Es gab nichts mehr zu sagen. Chase konnte ohnehin nichts tun, außer die Augen offen zu halten. Wenn er versuchen sollte, es mit Hyto aufzunehmen, würde der ihn zu Kohle verbrennen. Oder Schlimmeres. Die Erinnerung an Hytos Hände, die mich begrapschten, an seine geflüsterten Drohungen, lief wie Eiswasser durch meine Adern, und ich versuchte sie abzuschütteln.
    »Was hast du für uns?«, fragte ich, ehe Chase noch etwas sagen konnte.
    Er zögerte einen Moment und sah mich an. Magie funkelte in seinen dunklen Augen auf, und ganz kurz fühlte ich mich zu ihm hingezogen – als gebe es da eine Verbindung, die in uns beiden widerhallte. Sie war nicht sexueller Natur, sondern tiefer. Sie stammte aus Magie und dem Dunkel der Nacht.
    »Camille«, flüsterte er. »Was …« Und dann brach die geistige Berührung ab, so plötzlich, wie sie aufgeflammt war, und wir standen wieder zwischen den anderen, als sei nichts geschehen.
    Ich schüttelte den Kopf und formte stumm mit den Lippen: Später.
    »Du wolltest uns die Stelle zeigen, die du für ein Portal hältst.« Niemand sonst sollte merken, was gerade passiert war. Chase machte zurzeit so viele Veränderungen durch, dass ein Haufen neugieriger Fragen ihm nicht eben helfen würde. Aber ich beschloss, mich mal unter vier Augen ausgiebig mit ihm zu unterhalten. Wir mussten ihn testen, um herauszufinden, was für magische Talente sich da entfalteten.
    Er blieb noch einen Moment nachdenklich stehen, dann bedeutete er uns, ihm zu folgen. »Ja. Hier entlang.«
    Im Gehen erklärte er uns, wie er die Stelle gefunden hatte. »Ich habe einen Anruf über die Hinweisnummer bekommen, anonym natürlich, und der Anrufer sagte, hier im Park sei etwas nicht in Ordnung.«
    »Männlich oder weiblich?«
    »Das weiß ich wirklich nicht. Aber ich habe Shamas und Yugi hierhergeschickt, und sie haben dieses … Ding entdeckt. Es erinnert mich an Großmutter Kojotes Portal. Aber es ist … irgendwie anders. Es fühlt sich anders an, würde ich sagen.« Er runzelte die Stirn. »Ungefähr so, wie wenn man einen Imitator sieht. Der sieht vielleicht aus wie der echte Star, aber irgendwie stimmt etwas nicht ganz …«
    Ich presste die Lippen zusammen. In unserer Welt gab es so vieles, was »irgendwie nicht ganz stimmte«, dass die Normalität in den Hintergrund rückte. »Ja, ich weiß, was du meinst. Zeig es uns bitte.«
    Wir stapften durch den Schnee und die eisbedeckten Wege entlang zur Mitte des Parks. Ich fand es hier furchtbar unheimlich, um ehrlich zu sein. Normalerweise war ich gern in der Natur, aber manche Wälder sind zu düster, manche Gegenden zu wild, als dass ich mich dort wohl fühlen würde. Vor allem hier, erdseits.
    Tangleroot Park war nicht nur die Heimat gewaltiger Zedern und Tannen, er beherbergte auch ein paar uralte Eiben. Der Baum des Todes und der Wiedergeburt. Die Eibe, eine dunkle Seele in einer hellen Winternacht, gehörte zu den heiligsten Bäumen, und dennoch bildete er zahllose einzelne Stämme, zahllose Wurzeln, die sich doch wieder zum Herzen des Stamms hin wanden. Der Geist der Eibe gehörte zum Winter, zur Zeit der kahlen Brache, und zur Unterwelt.
    Sobald wir uns der Mitte des Parks näherten, konnte ich spüren, wie die Eiben uns beobachteten. Mich beobachteten. Sie waren neugierig, und ihre Neugier kroch aus ihnen hervor und tastete wie mit Fühlern nach meiner Aura.
    Todespriesterin … Priesterin des Dunklen Mondes … wir spüren dich in unserer Nähe.
    Verblüfft riss ich den Kopf hoch und sah mich um, obwohl ich wusste, dass diese Worte nicht von jemandem gekommen waren, der auf zwei Beinen herumlief. Das war der Wald. Die
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