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Herzklopfen für Anfänger

Herzklopfen für Anfänger

Titel: Herzklopfen für Anfänger
Autoren: Lynne Barrett-Lee
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bleibst?«
    »Stille im Geist natürlich.«
    Ich fragte mich, ob sich der Lehrer mit meiner Mutter nicht ein wenig übernommen hatte.
    »Theoretisch jedenfalls«, schniefte sie. »Meine Meridiane sind immer noch ziemlich blockiert, aber Cos denkt, dass ich großes Potenzial habe.«
    »Cos?«
    »Aus Bognor. Ich glaube, er ist Buddhist. Aber egal, Liebes. Ich wollte nicht mit dir über Tai-Chi reden. Ich rufe wegen des Frauenhauses an. Hast du bei deinem Parlamentsabgeordneten etwas erreicht?«
    Ah. Ihr anderes aktuelles Projekt.
    Meine Mutter wohnte wie viele Frauen ihres Alters und ihrer Situation in einem gepflegten viktorianischen Haus in Eastbourne. Es war in Wohnungen für alleinstehende Frauen im Ruhestand umgebaut worden. Neben dem Haus meiner Mutter gab es ein Frauenhaus, das von einer furchteinflößenden Ex-Hippie-Frau namens Polly geleitet wurde. Dort waren viele unglückliche Frauen und Kinder untergebracht, die häusliche Gewalt erlitten hatten. Der Mietvertrag lief aus, und die Eigentümer machten Schwierigkeiten. Sie wollten das Frauenhaus raushaben, damit das Haus verkauft werden konnte. Und dann würden zweifellos auch dort Wohnungen für Leute entstehen, die zu Hause nicht verprügelt wurden.
    Solche Situationen kamen meiner Mutter sehr entgegen. Sie liebte einen guten Protest.
    Jetzt machte auch die Notiz in meinem Kalender Sinn: Ich sollte meinen Abgeordneten anrufen und ihn darauf ansetzen.
    »Mum, es tut mir leid, aber ich hatte heute keine Minute Zeit dafür. Ich bin im Moment wirklich sehr beschäftigt, weil …«
    »Kein Problem«, sagte sie fröhlich. »Ich habe angerufen.«
    »Du?«
    »Ja, und er hat mich noch nicht zurückgerufen. Aber ich habe mit einem sehr netten Mann beim Evening Argus gesprochen, und er will am Freitag zu uns kommen und mit uns reden. Ich habe es Polly schon erzählt, und sie meint, das wäre der richtige Weg. Wir müssen uns an die Medien wenden.«
    »Aber was ist mit dem Stadtrat? Wollte Polly nicht versuchen, die Angelegenheit vor den Stadtrat zu bringen, um eine finanzielle Unterstützung zu bekommen? Ich dachte, die Miete sollte gestundet werden?«
    »Ja, ja«, unterbrach mich meine Mutter. »Und Schweine können fliegen. Das ist doch ein nutzloser Haufen. Das habe ich ihnen auch gesagt. Wenn direkt vor ihrer eigenen Haustür ein halbes Dutzend obdachloser Familien stünde, würden sie bestimmt nicht so gleichgültig reagieren. Auf jeden Fall formulieren wir eine Petition, und wenn die Zeitung sie abdruckt, dann nimmt vielleicht jemand Notiz davon. Auf jeden Fall müssen wir am Ball bleiben, nicht wahr? Ich habe einen Brief geschrieben, in dem ich die Situation skizziert habe, und ihn an dich geschickt.«
    »An mich?«
    »Natürlich! Ich dachte, du kannst ihn vielleicht für mich auf deinem Computer tippen. Dann können wir ihn an alle einflussreichen Leute verschicken und Bewegung in die Sache bringen.«
    Ich nahm das Wir zur Kenntnis. Schon wieder ein neuer Punkt in meinem Notizbuch. Ich würde mir wohl ein größeres kaufen müssen.

5
    Als ich am Montagmorgen zur Arbeit kam, kniete Ruth mitten im Laden auf dem Boden und zog alle Sonnenbrillen unserer Hausmarke aus ihren Löchern auf den Drehständern. »Die sind nicht mehr erwünscht«, sagte sie, packte eine Sonnenbrille in ihre Schutzhülle und legte sie in eine Schachtel auf dem Boden. »Ich habe Kisten mit Drug-U-Like-Sonnenbrillen hinten. Die hier kommen ins Lager.«
    »Du liebe Güte«, sagte ich. Ob die schicke Sonnenbrille, die ich im Auge gehabt hatte, preiswerter verkauft würde? »Die verlieren keine Zeit, was?«
    Ruth richtete sich auf und strich ihren Rock glatt. »Das«, sagte sie ernst, »ist nur die Spitze des Eisbergs, das sage ich dir. Geh ins Büro und sieh dir das rosa Teppichmuster an.«
    Ich musste zugeben, dass seit dem Mittagessen mit Nick Brown Leben in unseren beschaulichen kleinstädtischen Arbeitsalltag gekommen war. Zumindest redete ich mir ein, dass es am Mittagessen lag. An ihm natürlich nicht. Überhaupt nicht.
    Ruth ergriff den Karton mit den Sonnenbrillen und folgte mir ins Büro. »Und weißt du, was wir noch machen?«
    Ich ging die lächerlich lange Liste mit den Terminvereinbarungen für Augenuntersuchungen durch und bemerkte ein paar vertraute Namen. »Was?«
    »Seminare.«
    »Seminare? Wofür?«
    »Eine Ausbildung in den Verkaufsmethoden von Drug-U-Like.« Sie spreizte die Finger und wackelte damit.
    Ruth war morgens grundsätzlich vor mir im Laden. Sie sagte immer, das
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