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Herz in Not

Titel: Herz in Not
Autoren: Mary Brendan
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mochte ein neugieriger alter Kauz sein, war jedoch äußerst effizient, absolut loyal und grundehrlich. Mit der Zeit war der alte Sekretär David richtig ans Herz gewachsen, und seine halbherzigen Drohungen mit dem Rausschmiss machten beiden Spaß.
    „Schicken Sie Mainwaring die Antwort bezüglich des Grundstückverkaufs in Chelsea per Boten. In allen anderen Dingen gehen Sie wie abgesprochen vor.“
    Die kleine drahtige Gestalt hievte sich vorsichtig aus dem Stuhl, mit einer Hand umfasste Jacob seine Akten und mit der anderen schob er schnell seine Brille auf die Nase zurück.
    Derweil langte David nach einer neuen Zigarre, zündete sie an und inhalierte tief, bis die Spitze zu glimmen begann. Er strich sich durch das etwas zu lange braunschwarze Haar, das nach einem Friseur verlangte. Alles andere an ihm war wie üblich makellos.
    „Baron Du Quesne“, meldete der Butler Jeremiah Clavering und ließ Davids Freund in das gemütliche Arbeitszimmer.
    David ging zum Kamin und schürte die Glut, als er den kalten Luftzug vom Korridor spürte. Fröstelnd suchte der Freund sofort die Nähe des Feuers. „Eisig draußen?“ stichelte David und registrierte grinsend Richards glänzend rote Nase.
    „Zwei Extra-Runden musste ich mit dieser dummen Person um den Platz drehen, bis wir Wainwright trafen, an den ich sie loswerden konnte.“
    Lachend räumte David seinen warmen Platz vor dem Feuer für den Freund und ging, um Jacob die Tür aufzuhalten. Während der Sekretär auf den Korridor schlüpfte, instruierte David ihn plötzlich: „Vergessen Sie den Brief an Mrs. Hart. Ich kondoliere ihr persönlich.“
    Victoria vergrub ihre Hände tief in dem Zobelmuff. Viele Menschen gaben ihrem geliebten Daniel das letzte Geleit an diesem sonnigen, aber bitterkalten Februarmorgen.
    Pfarrer Woodbridge warf eine Hand voll dunkler Erde in das offene Grab. Dann nickte er der Witwe zu. Unsicher trat Victoria vor und ließ das Blumenbukett, das sie am Morgen selbst gebunden hatte, in das dunkle Nichts fallen. Traurig fuhr sie mit der Hand unter den schwarzen Spitzenschleier, der ihr schmales Gesicht verhüllte, und tupfte sich über die Lider. Gefasst schaute sie wieder auf - und sah ihn.
    Ein unbeabsichtigter Seufzer entschlüpfte ihr, als sie die einsame Gestalt erkannte. Er stand abseits - nicht bei denen, die sich fröstelnd um das offene Grab drängten - und schien nur sie zu beobachten. Ihre Sinne spielten ihr keinen Streich, der weiße gefrorene Atem vor seinem Gesicht war Victoria der sichere Beweis, dass es sich nicht um ein Fantasiegebilde handelte. Auch nach sieben Jahren hatte sie ihn nicht vergessen. Eine Tatsache, die sie zugleich erfreute und beunruhigte. Imposant und unbeweglich, wie er in dem schwarzen Wintermantel dastand, machte er ihr fast Angst.
    Victoria zwang sich, Pfarrer Woodbridge wieder ihre Aufmerksamkeit zu schenken, der gerade die Grabrede beendete und ihr bedeutete, dass die beiden Totengräber ihre Arbeit fortsetzen wollten.
    Es war so endgültig. Noch konnte sie den Mann, der sie geliebt, der für sie und ihre Familie gesorgt hatte, nicht loslassen. Gewiss, Freunde und Nachbarn standen ihr bei, zeigten herzliche Anteilnahme, und dennoch fühlte Victoria sich allein und verängstigt. Seltsamerweise wurde diese tief sitzende unbestimmte Angst durch die schemenhafte Gestalt am Rande des Friedhofs noch verstärkt. Plötzlich wünschte sie sich, Daniel hätte nicht darauf bestanden, David herzubitten. Weshalb überhaupt? Außer einer entfernten verwandtschaftlichen Beziehung verband die beiden Männer doch nichts?
    Die frierenden Trauergäste warteten geduldig darauf, dass Mrs. Hart das Zeichen zum Aufbruch gab. „Sind Sie so weit, Victoria?“ fragte der Pfarrer leise. „Kommen Sie, mein Kind.“ Dankbar nahm sie seinen Arm und ging langsam neben dem Pfarrer den frostglitzernden Grashügel hinunter zu dem Kiesweg, der nach Hartfield führte. Hinter sich hörte sie das leise erleichterte Gemurmel der Trauergäste, die im gebührenden Abstand folgten.
    David hatte sich nicht von der Stelle bewegt. Wie gebannt blickte er Victoria an. Sie schaute auf, als sie auf seiner Höhe war. Wie in Trance, mit angehaltenem Atem, ging sie an ihm vorbei, unfähig, den Blick von seinen blauen Augen zu wenden.
    Eilig erklomm eine blonde Frau den Hügel. Oben blieb sie stehen, um Luft zu holen, und beobachtete einen Moment lang den Trauerzug, der sich langsam zurück nach Hartfield bewegte. Dann schaute sie zu der einsamen
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