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Herbstwald

Herbstwald

Titel: Herbstwald
Autoren: Alexander Guzewicz
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Arm und Reich machten.
    »Die Siedlung hat etwa 20.000 Gulden gekostet. Das war natürlich damals auf den ersten Blick eine ungeheure Summe, wenn man bedenkt, dass die Miete von einem Gulden etwa dem Wochenarbeitslohn eines Maurers entsprach. Aber für Jakob Fugger den Reichen war die Summe relativ gering. Er hat seiner Frau zum Beispiel einen orientalischen Stirndiamanten geschenkt, der etwa das Gleiche gekostet hat. Oder er finanzierte Papst Julius II. den Sold für die Anwerbung der Schweizergarde, die nur dadurch überhaupt erst gegründet werden konnte. Das Bankhaus der Fugger transferierte Bestechungsgelder in Höhe von unglaublichen 852.000 Gulden an die deutschen Kurfürsten, um Karl V. auf den Kaiserthron zu verhelfen. Dagegen war die Stiftung der Fuggerei nur eine kleine Spende. Und trotzdem war es auch eine nicht zu unterschätzende Mildtätigkeit, die er damit vollbracht hatte. Immerhin hilft sie auch heute noch etwa 150 Bewohnern, ein einigermaßen angenehmes Leben zu führen, ohne dass sie sich dabei wie Bettler fühlen müssen. Sie zahlen ja schließlich auch eine Miete für die Wohnung, wenn auch eine sehr geringe.«
    »Ist mit den 88 Cent alles abgegolten?«, fragte Davídsson, der dankbar für die Informationen war.
    »Neben den Rheinischen Gulden müssen die Bewohner ja auch noch die Gebete sprechen, und dann kommt noch die Nebenkostenpauschale von 65 Euro im Monat hinzu. Heizung und Strom müssen außerdem auch selbst getragen werden, wobei wir gerade Fernwärmeanschlüsse in die Häuser legen lassen und die Fuggerei zu einer Abrecheneinheit zusammengefasst wird. Viele Bewohner können sich nämlich nicht einmal die stetig steigenden Heizkosten leisten.«
    »Wie war das bei Catharina Aigner?«
    »Naja, eigentlich müsste ich erst einmal die drei Damen von der Buchhaltung fragen, aber ich glaube, dass sie immer alles bezahlen konnte.«
    »Das bringt mich gleich zur nächsten Frage: Wie viele Angestellte arbeiten eigentlich für die Fuggerei?« Davídsson hatte sich auf eine Parkbank neben der Büste gesetzt und beobachtete, wie zwei Spatzen um ein kleines Stück Brot kämpften.
    »Wir haben zwei Maurer, einen Schreiner, einen Zivi und einen Hausmeister, der auch in der Siedlung lebt.« Sie lächelte wieder. »Aber nicht, weil wir ihm zu wenig Lohn zahlen, sondern, weil das so üblich ist. Allerdings wird der Posten nicht mehr wieder besetzt werden, wenn unser Herr Kurze in den Ruhestand geht. Die Stiftung muss mit ihren Mitteln immer mehr wirtschaften.«
    »Die Einnahmen sind rückläufig?« Einer der beiden Spatzen hatte es geschafft, mit dem ganzen Stückchen Brot davonzufliegen, aber gerade als er auf dem Bronzekopf von Jakob Fugger landen wollte, brach das Brot in zwei Teile und der andere Spatz hatte auch etwas zu fressen.
    »Die Ausgaben werden immer höher. Die Standards der Häuser sind recht unterschiedlich, und bevor wir neue Bewohner aufnehmen, muss meistens renoviert werden. Viele haben nur einen Ölofen in der Wohnung. Die restlichen Zimmer sind kalt. Manche haben auch noch keine Dusche oder Nasszelle. Mit der Holzwirtschaft lässt sich immer weniger Geld verdienen, und so müssen wir im Augenblick zehn Wohnungen leer stehen lassen, weil uns einfach die Mittel zur Renovierung fehlen.«
    »Ich verstehe.« Davídsson wollte gerade wieder aufstehen, als ihm noch eine Frage einfiel. »Helfen die Bewohner denn bei der Erhaltung der Fuggerei mit? Gibt es so etwas wie einen sozialen Pflichtdienst?«
    »Ich wünschte, es wäre so. Manche sind ganz engagiert und helfen mit. Ein Bewohner kümmert sich zum Beispiel ganz rührend um die Grünanlagen, und das auch freiwillig. Aber insgesamt werden es immer weniger, die helfen. Es gibt noch ein paar hilfsbereite Bewohner, die sich um ihre Nachbarn kümmern, so wie Frau Aigner.«
    »Der Nachbar über ihrer Wohnung.«
    »Ja.«
    »Was hat sie für ihn gemacht?«
    »Einfach alles. Er hat so eine seltsame Krankheit. Ich weiß immer den Namen nicht, aber er kann nichts anfassen. Er glaubt, dass jemand leiden muss, wenn er bestimmte Sachen berührt. Sie hat für ihn die Wäsche gewaschen und gekocht, sauber gemacht und so weiter. Er wird jetzt sicher am Boden zerstört sein.«
    »Hat er ihr auch finanziell geholfen, oder sie ihm?« Davídsson war aufgestanden und lief zu dem Haus, in dem das Opfer gewohnt hatte.
    »Soweit ich weiß nicht. Ich glaube, er hat die Waschmaschine bezahlt, aber sonst mussten beide mit ihrem Geld auskommen. Und das war nicht
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