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Herbst - Ausklang (German Edition)

Herbst - Ausklang (German Edition)

Titel: Herbst - Ausklang (German Edition)
Autoren: David Moody
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sein. Für Jackson verkörperte der unberechenbare Junge nur ein unnötiges Risiko. Umgekehrt wäre Jackson für den Teenager nur eine weitere verachtenswerte Respektperson, gegen die er rebellieren würde. Als er sich von der Schule entfernte, fragte sich Jackson, ob nur noch nutzlose, gebrochene Menschen wie dieser Junge übrig waren. In jener Nacht lasteten die gewaltigen Ausmaße dessen, was dem Rest der Welt widerfahren war, schwerer denn je zuvor auf seinen Schultern. Schwerer als der Rucksack voll Überlebensausrüstung, den er seit dem ersten Tag mit sich herumschleppte.
    Die Begegnung mit dem Jungen hatte ihn zum Nachdenken gebracht, und danach hatte er allmählich erkannt, wie sinnlos es war, endlos zu marschieren. Da die Toten zunehmend lebhafter wurden, fühlte es sich geradezu stündlich gefährlicher an, sich draußen aufzuhalten, und Jackson wusste, dass es an der Zeit war, sich etwas Neues einfallen zu lassen. Wenigstens brauchte er sich nur über sich selbst den Kopf zu zerbrechen. Früher hatte es jemanden gegeben, der für ihn gezählt hatte, aber diejenige war längst weg und am besten vergessen. Mittlerweile wollte er niemanden mehr, brauchte niemanden so, wie man ihn brauchte. Vor dem Jungen im Turnsaal war er mehreren Gruppen von Überlebenden über den Weg gelaufen, und alle hatten ausnahmslos ihn gebeten, sich ihnen anzuschließen. Wir sollten zusammenbleiben , hatten sie alle zu ihm gesagt. Wir könnten jemanden wie dich gebrauchen . Und darin bestand das Problem: Sie brauchten ihn, nie umgekehrt. Ihm war klar geworden, dass er eigentlich niemanden brauchte. Genauer gesagt schien es die Dinge sogar noch gefährlicher zu gestalten, mit anderen zusammen zu sein. Nur eine Person musste in Panik verfallen und einen Fehler begehen, schon wären sie binnen Sekunden von unzähligen Toten umzingelt.
    Ein weiterer kleiner Tumult vor dem unscheinbaren kleinen Haus brachte Jackson dazu, sich wieder zu konzentrieren. Auf der anderen Straßenseite hatte eine Leiche versucht, sich den Weg tiefer in die gewaltige Menge zu erkämpfen. Rings um sie hatten andere auf die unerwartete Bewegung reagiert. Sie fielen übereinander her, fetzten mit brutalen Fingern verwesendes Fleisch von Knochen, entfachten einen plötzlichen Sturm übelkeiterregender Gewalt. Und kaum hatten die Ersten zu kämpfen begonnen, schlossen sich ihnen mehr und mehr an, bis eine enorme Zahl der verfluchten Kreaturen einander grundlos in Stücke riss. Als der bizarre Anflug von Aktivität allmählich verflachte, fragte sich Jackson, ob er eigentlich eher vor dem Rest der Welt davonlief oder sich mehr davor versteckte.
    Am vergangenen Vortag hatte er bei einem Gefängnis angehalten. Sein erster Instinkt hatte darin bestanden, es zu meiden, doch die Vernunft hatte ihm geraten, es sich näher anzusehen. Man muss die Dinge heutzutage anders betrachten , hatte er sich gesagt, als er sich einen Weg durch den nicht mehr unter Strom stehenden Maschendrahtzaun schnitt. Immerhin sind solche Orte dafür gebaut worden, Menschen voneinander fernzuhalten, und genau das will ich .
    Das Gefängnis erwies sich als überaus geeigneter Ort, um eine Weile Zuflucht zu suchen. Die Küche war ausreichend bevorratet, um Hunderte hungrige Häftlinge zu bewältigen, und die überwiegende Mehrheit der toten Gefängnisinsassen hielt sich praktischerweise noch in den Zellen auf. Jackson verbrachte einige Stunden damit, etliche verwaiste Gänge abzuschreiten und dabei aus einer Flasche Wein zu trinken, während sich zu beiden Seiten tote Häftlinge gegen die Gitterstäbe warfen und die Arme in dem Versuch ausstreckten, ihn zu erreichen. Es war wie ein Besuch im Zoo, bei dem man die Tiere vorsätzlich reizte.
    Schließlich ging er auf einen Abschnitt des flachen Dachs hinaus, wo er sich mit untergeschlagenen Beinen hinhockte und beobachtete, wie die Sonne unterging, als sich ein weiterer Tag dem Ende zuneigte. Unbeirrt von der Kälte legte er sich auf den Rücken und blickte in den dunklen Himmel empor, wo mehr Sterne funkelten, als er je zuvor gesehen hatte. Ihre jeweilige Helligkeit wurde dadurch verstärkt, dass es in Bodennähe kein Umgebungslicht mehr gab. Und wieder wurde seine persönliche Bedeutungslosigkeit schmerzlich offenkundig. Er fühlte sich wie ein auf den Asphalt ausgespuckter Kaugummi, wie der letzte Brocken aus Fleisch und Gelee in einer weggeworfenen Hundefutterdose. Früher mochte er vielleicht eine Rolle gespielt haben, aber jetzt nicht mehr.
    Halb
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