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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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ich ihm zu langweilig geworden? Er war so jungenhaft verliebt gewesen, damals in Bangkok. Der Anblick seines schlanken durchtrainierten Körpers hatte mich mindestens ebenso entzückt wie sein Flötenspiel. Im Grunde hatte ich mich schon in den Mann verknallt, als ich ihn in der ersten Klasse der Boing 737 zum ersten Mal sah. »Der gehört mir!«, hatte ich der Kollegin zugezischt, die sich daraufhin anderen Passagieren zugewandt hatte.
    »Darf ich zum Start Ihr Handgepäck verstauen?« Ich hatte die Hände ausgestreckt und ihn mit meinem schönsten Lächeln angesehen.
    Er hatte seinen Flötenkasten an die Brust gedrückt und zwinkernd erwidert: »Bis jetzt hat noch niemand gemerkt, dass da eine Kalaschnikow drin ist! Und ausgerechnet Sie wollen sie mir wegnehmen?«
    Wir waren ins Gespräch gekommen, und ich hatte während des Nachtfluges immer wieder seine Nähe gesucht.
    »Eine Flöte? Wirklich? Was für eine?«
    »Eine Zauberflöte.«
    »Wo spielen Sie denn?«
    »Bei den Wiener Philharmonikern. Gestern in Singapur, morgen in Bangkok, übermorgen in Tokio.«
    »Und heute?«
    »Heute haben wir frei …«
    Ja, so hatte das alles angefangen. Wir hatten uns auf Anhieb total ineinander verknallt. Immer wieder hatte er mich mit seinen dunklen Augen angesehen und gesagt: »Du bist meine Traumfrau! Du arbeitest zwar als Stewardess, könntest aber ein Topmodel sein!«
    Ja, Christian stand auf große blonde schlanke Frauen. Bald darauf jobbte ich tatsächlich als Model und war ein Jahr bei einer Agentur in New York. Dort bekam ich als Tagesgage locker meine fünftausend Dollar. Christian vergötterte mich und begleitete mich zu meinen Jobs, wann immer er konnte. Aber er hatte weltweit Auftritte, und ich fühlte mich als Stewardess letztlich sicherer. Denn Schönheit vergeht bekanntlich. Als ich an diesem Abend vor Weihnachten in den Spiegel sah – und das öfter, als mir guttat –, verschwammen darin zwei Anitas. Beide waren zwar noch immer schlank und blond, aber eine davon war eben doch sichtbar zweiundvierzig. Natürlich gab ich mir Mühe, mein »Kapital« zu pflegen. Doch inzwischen kostete mich mein Aussehen eindeutig mehr, als es mir einbrachte. Und Stewardess war ich schon lange nicht mehr.
    Zum Glück verdiente Christian bei seinen Wiener Philharmonikern als Soloflötist genug, um uns diese Villa mit den Bremer Stadtmusikanten davor und das Leben darin ermöglichen zu können. Eine Villa, die wir übrigens den Kobaliks zu verdanken hatten. (Was hatten wir den Kobaliks eigentlich nicht zu verdanken?!) Deswegen waren wir ja auch Nachbarn. Sie, Wolfgang und Ursula, waren nämlich »Freunde und Förderer« der Wiener Philharmoniker, was bedeutete, dass sie das Orchester finanziell großzügig unterstützten. Wolfgang hatte sich in Berlin mit einer Firma für Privathonorar-Rechnungswesen für Ärzte, Anwälte und Steuerberater eine goldene Nase verdient und sich jetzt in Wien mit seiner dritten Gattin Ursula zur Ruhe gesetzt. Als Freunde und Förderer konnten sie an vielen Konzerttourneen teilnehmen, hatten freien Eintritt bei den Premieren und trieben sich natürlich gern auf den Gala-Empfängen herum, die zu Ehren der Wiener Philharmoniker gegeben wurden. Sprich, die lieben Kobaliks hatten sich auf diese Weise in die feine Wiener Gesellschaft eingekauft. Und weil die beiden so ein Helfersyndrom hatten, hatten sie uns auch gleich ihre Nachbarvilla vermittelt.
    »Anita, da müsst ihr zuschlagen! So wat Feinet kriegt ihr in janz Wien nicht mehr! Wir regeln das für euch, wir kennen den Makler!«
    Wir hatten uns auf besagter Japantournee kennengelernt, wo sie als Freunde und Förderer mitgefahren waren. Wolfgang hatte in der Bar des Luxushotels eine Runde nach der anderen ausgegeben, und Ursula hatte sich um mich gekümmert. Ich glaube, sie hatte auf Anhieb einen Narren an mir gefressen. Vielleicht, weil sie sich immer so eine Tochter gewünscht hatte. Ihre eigene, Rosie, war wenig glamourös. Bei ihr hörte sich der Berliner Akzent noch schrecklicher an als bei Ursula. Und wie der dicke Bengel sprach, wollte ich mir gar nicht erst vorstellen.
    Unsere Mädchen dagegen hatten einen richtig charmanten Wiener Akzent. Gloria und Grazia besuchten das französische Lycée und spielten Harfe und Oboe. Gloria hatte ihr eigenes Pferd bei den Lipizzanern, und Grazia war Mitglied im angesagten Golfclub Süßenbrunn. Wir hatten ein Premierenabonnement in der Wiener Staatsoper und kauften grundsätzlich nur bei den exklusivsten
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