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Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)

Titel: Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung (German Edition)
Autoren: Josef Kraus
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Orgien an Bindestrich-Kompetenzen statt, die Schule ohne inhaltliche Fixierung zu fördern habe: Methoden-Kompetenz, Medien-Kompetenz, Handlungs-Kompetenz, Sozial- und Human-Kompetenz, Kritik-Kompetenz, mentale Kompetenz, Frage-Kompetenz, Orientierungs-Kompetenz, Strukturierungs-Kompetenz, Analyse-Kompetenz, Urteils-Kompetenz, De-Konstruktions-Kompetenz, Re-Konstruktions-Kompetenz, Narrative Kompetenz, Personal- und Selbst-Kompetenz … Einmünden sollen all diese Kompetenzen – je nach Abstraktionsgrad – in eine elaborierte, intermediäre oder basale Ebene in Vertikal-, Horizontal- oder gar Meta-Kompetenzen. Manche teilen die zu erwerbenden Kompetenzen noch auf in Soft Skills und in Hard Skills .
    Warum überhaupt Kompetenzenpädagogik? Eine der Antworten muss wohl lauten: Es geht auch hier offenbar um Ökonomisierung von Bildung, es geht um Utilitarismus. Es geht nicht um Persönlichkeit, sondern um Personal. Und so wird der Begriff «Kompetenz» bewusst funktionalistisch als Kontrast zum Bildungsbegriff verstanden. Was Kompetenz ist, wird nicht vom Individuum her definiert, sondern vom System her – letztlich vom Kriterium «employability» her. Der Mensch wird qua Kompetenzpädagogik auf «output» getrimmt, er wird zum bloßen «homo oeconomicus», zu einem Torso von Bildungsbürger.
    Man muss deshalb den Eindruck gewinnen, dass mit der Kompetenzenpädagogik eine operationalistische Verarmung von «Bildung» droht: Bildung ist das, was PISA misst oder die OECD auszuzählen vorgibt, so scheint es. Bildung ist aber erheblich mehr als das, was PISA misst, denn PISA misst nur einen ganz kleinen Ausschnitt aus dem Lerngeschehen.
    Kompetenzen zu testen schafft sich jedenfalls erst die Wirklichkeit, die sie zu bewerten vorgibt. Die Methode definiert den Gegenstand, das Objekt der Messung. Das in messbare Standards übersetzen zu können ist also zu erheblichen Teilen Methodenartefakt. Für die Kompetenzenpädagogik gilt so das, was Popper als Positivismus- und als Reduktionismuskritik formuliert hat. Bildung wird durch ihre Operationalisierung verarmt; man nennt das die normative Wirkung der Empirie. Dabei räumen maßgebliche Testautoren selbst ein, dass etwa die PISA-Tests «ein didaktisches und bildungstheoretisches Konzept mit sich führen, das normativ ist».
    Der seit Jahren propagierte Paradigmenwechsel der Bildungspolitik hin zur Kompetenzorientierung stellt sich jedenfalls zunehmend als Trojanisches Pferd für die Schulen heraus: Naiv wie die Trojaner holt sich die Mainstream-Pädagogik dieses Danaer-Geschenk ins Haus, das dort dann seine destruktive Wirkung entfaltet. Das Ergebnis wird eine Schule ohne konkrete Wissensinhalte sein.
    Solchen Vorstellungen von «entschlackten, entrümpelten» Lehrplänen sollten Eltern nicht auf den Leim gehen. Es ist vielmehr eine Renaissance des konkreten Wissens notwendig. Denn es gilt gerade für Heranwachsende: Man mag sich ja «kompetent» fühlen, aber wer nichts weiß, muss alles glauben. Kurz: Er wäre unmündig. Wahrheit durch Wissen bzw. umfassendes Wissen – das erst ist ein großes Stück Freiheit.

Elternhaus und Schule: Selbst handeln und nicht delegieren
    «Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.» Dieser Spruch von Erich Kästner gilt im Besonderen für die elterliche Erziehung. Der Glaube, gegen alle Bildungs- und Erziehungsdefizite helfe institutionalisierte Frühförderung oder staatliche Erziehung etwa qua Kindergartenpflicht oder Ganztagsschule, ist falsch und nicht ungefährlich. Eine «Schule total» wird in ihrer Wirksamkeit maßlos überschätzt. Weder Pflicht-Kita noch Ganztagsschule sind in der Lage, das erzieherische Bewusstsein und Handeln der Eltern zu fördern. Eher fördern sie deren Bereitschaft, immer noch mehr erzieherische Aufgaben an den Staat zu delegieren. Pflicht-Kita und Ganztagsschule schränken vielmehr das Spektrum kindlicher Erfahrungen ein. Kurz: Es muss ein Leben außerhalb der Schule geben. Der Staat darf nicht zum pädagogisch omnipotenten Gouvernantenstaat werden.
    Gleichwohl vergeht kaum eine Woche, in der man nicht Forderungen nach neuen Schulfächern vernimmt. Schule solle vermitteln: Zähneputzen, Körperpflege, Auto- und Mofafahren, Kurse in Selbstverteidigung, Ernährungslehre, Verbraucherkunde, Arbeitsplatzkunde. Selbst ein Schulfach «Kapitalanlage und Altersvorsorge» ist schon gefordert worden. Damit aber entstehen dicke pädagogische Versandhauskataloge mit einem inflationär wachsenden Spektrum an schulischen
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