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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition)
Autoren: Jonas Wolf
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Menschen: »Wer bist du denn, du Dörrpflaume?«
    Sein Rufen lockte schnell eine ganze Schar anderer Bewohner der Festung an, und jeder von ihnen schien noch merkwürdiger als der andere. Da war ein Hüne mit Haut wie Pech, der von einem wahren Riesen, der wie ein laufender Stein aussah, noch deutlich überragt wurde. Letzterer hielt ein schmaläugiges Männlein an der Hand, gegen dessen Alter selbst Pukemasu noch als staksendes Fohlen durchgegangen wäre. Es gab eine Frau, der Hauer aus dem Mund wuchsen, als wäre ihr Vater ein Eber gewesen, und einen Mann, dessen Mutter sich mit einer Echse gepaart haben musste, wenn man die Schuppen als Zeugnis dieser Vereinigung heranzog. Pukemasu weigerte sich zu glauben, dass dies der Drache sein könnte, von dem das Krallendaumenmädchen erzählt hatte. Obwohl … Wurden nicht viele Lieder über die Leichtgläubigkeit der Mädchen dieser Sippe gesungen? Jedenfalls war der bärtige Kerl, der einen ziemlich dicken Bauch unter eine Brustplatte gezwängt hatte, noch der gewöhnlichste Anblick unter diesen Gestalten.
    Pukemasu war drauf und dran, ihre Stute zu zügeln, kehrtzumachen und bei ihrer Rückkehr ins Lager Itomni einen Geist der Krätze an den Hals zu hetzen, da trat ein junger Mann durch die kleine Reihe nach vorn. Pukemasus Herz setzte einen Schlag aus. »Bist du ein Geist?«, fragte sie ihn misstrauisch.
    Er kam strahlend auf sie zu, hob sie aus dem Sattel und schloss sie in die Arme. Er hatte das gleiche Hautbild im Gesicht wie der Mensch, den sie verloren hatte – rote Striche um seinen Mund, von ihrer eigenen Hand gestochen. Und er roch so, wie Teriasch gerochen hatte, und nicht wie einer der Ruhelosen Toten, die beim Langen Lied der Singenden Klingen so furchtbar unter den Kindern der Steppe gewütet hatten. Noch dazu kannte er ihren Namen, den er nun wieder und wieder sagte. »Pukemasu. Pukemasu. Pukemasu.«
    »Lass mich los, bevor du mich in der Mitte entzweibrichst, du grober Klotz.«
    Er tat wie geheißen und sah sie aus großen Augen an. »Alles, was du mich gelehrt hast, ist wahr«, sagte er. »Im Land jenseits des Aglala leben nur verlogene Geister. Aber ich habe ihnen getrotzt. Ich habe einen der mächtigsten ihrer Art erschlagen. Mit ihr.« Er wandte sich halb von ihr ab und zeigte auf eine Frau, die sich ihnen vorsichtig genähert hatte. »Das ist Nesca.«
    Pukemasu musterte die Fremde, die vielleicht zwanzig Sommer zählte, und spürte einen feinen Stich der Eifersucht angesichts so viel strahlend schöner Jugend. Irgendetwas an dieser Frau war allerdings sonderbar. Sie sah zwar aus, als wäre sie in einem Zelt geboren, aber ihre Haut war ein wenig zu blass und auch ihr feuerrotes Haar zu wenig von der Sonne gebleicht.
    »Nesca, das ist …« Teriasch unterbrach sich und sah Pukemasu einen langen Moment forschend an. »Das ist meine Mutter. Pukemasu.«
    Sie schlug ihm auf die Schulter, so kräftig sie nur konnte, doch sie tat es nur, weil sie ihn von den Tränen, die ihr in die Augen schossen, ablenken wollte.
    »Müsst ihr so singen?«, beschwerte sich der Gnom mit den haarigen Füßen, der mittlerweile beschlossen hatte, dass es sich lohnte, Pukemasu willkommen zu heißen. »Könnt ihr nicht reden wie zivilisierte Menschen?«
    »Achte nicht auf ihn«, sagte Teriasch. »Er ist nur ein Kater, der uns zugelaufen ist.«
    Pukemasu runzelte die Stirn. Sie sah an dem Kleinwüchsigen weder Schwanz noch Schnurrhaare. Konnte es sein, dass Teriaschs Verstand im Land jenseits des Aglala über Gebühr gelitten hatte? »Was machst du in dieser Festung? Warum lebst du nicht in einem Zelt? Und warum hast du nicht nach deiner Sippe gesucht?«
    Teriasch hob abwehrend die Arme. »Für euch bin ich tot. Ich war zu lange weg.«
    »Ja«, seufzte Pukemasu. »Das stimmt wohl.«
    »Ich habe eine neue Sippe.« Er zeigte auf die Gruppe von Menschen, die inzwischen weiter angewachsen war. »Wir brauchten ein Zuhause, und ich bin schon einmal hier gewesen. Es ist ein Ort des Leids, den ich in einen Ort der Hoffnung verwandeln will.«
    »Wie wird das den Harten Menschen gefallen?«
    »Sie werden sich nicht daran stören«, erklärte Teriasch. »Ich denke nicht, dass sie in absehbarer Zeit neue Krieger auf die Steppe schicken werden. Als ich mit meinen Freunden hierherkam, habe ich den Harten Menschen berichtet, was in ihrer Heimat geschehen ist, und ihnen ein Angebot gemacht. Wer gehen wollte, durfte gehen. Wer bleiben wollte, durfte bleiben. Und viele wollten gerne bleiben, als
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