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Heldenzorn: Roman (German Edition)

Heldenzorn: Roman (German Edition)

Titel: Heldenzorn: Roman (German Edition)
Autoren: Jonas Wolf
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ging.
    »Das ist nicht wahr«, flüsterte Teriasch. In der kalten Asche seines Zorns glomm ein vergessener Funke auf. »Du lügst.«
    »Du bist so erbärmlich, Teriasch von den Schwarzen Pfeilen«, spottete Nesca. »Da bin ich einmal aufrichtig zu dir, und ausgerechnet dann nennst du mich eine Lügnerin.« Die Dolchklinge drang so weit in seine Haut, dass aus der Empfindung von Kälte ein leiser, schneidender Schmerz wurde. »Wenn du nicht noch eine Aufgabe für mich zu erfüllen hättest, würde ich dir sofort die Kehle durchschneiden.«
    »Du liebst mich …«, stöhnte Teriasch, und der Funke in ihm glühte heißer.
    »Oh«, höhnte der Drache. »Das Menschlein glaubt an die Liebe. Wie entzückend.«
    »Wie könnte ich einen Barbaren lieben?«, sagte Nesca. »Nur weil du meinst, wir wären durch das Blut der Steppe verbunden? Denkst du, deshalb bist du interessant für mich? Du Narr! Ich kann mir jeden Wilden von der Steppe in mein Bett holen, wenn ich es will.«
    »Nesca …« In der Asche züngelten Flammen.
    »Glaubst du, der Pollox wäre der Einzige, der die alten Prophezeiungen gelesen hat?« Sie lachte. Nein, sie verlachte ihn. »Ich weiß, wer ich bin. Die Frau mit dem Haar wie Feuer, die das Dominum zerschlagen und auf seinen Trümmern ein noch größeres Reich errichten wird. Doch erst musste dieser Wurm aus dem Weg, dem alle verfallen sind. Deshalb habe ich auf dich gewartet. Deshalb habe ich dich nicht gehen lassen. Ich entscheide, ob du lebst oder ob du stirbst. Du bist immer noch mein Sklave!«
    »Nein!«, keuchte Teriasch und presste sein Fleisch gegen die Klinge. Die Asche begann zu lodern. »Nein! Tu es! Töte mich! Und alles ist vorbei!«
    »Du willst unbedingt sterben? Gut, es gibt noch andere Feuerseelen dort draußen bei deinem Volk. Aber warum sollte ich mir an dir die Finger schmutzig machen, wenn ich noch ein anderes Werkzeug habe?« Blitzschnell nahm sie den Dolch von seinem Hals und versetzte ihm einen Stoß in den Rücken.
    Mit einem erschrockenen Aufschrei taumelte Teriasch nach vorn – und in die Klauen des Drachen!
    »Ja!«, triumphierte Schwarzschwinge und umfasste Teriasch mit beiden Vorderpranken wie eine Katze, die beschließt, dass sie lange genug mit der Maus gespielt hat. »Ja!«
    Schwarzschwinge riss das Maul auf. Eiskalter Wind fuhr aus seinem Schlund.
    In diesem Wimpernschlag erkannte Teriasch, dass er versagt hatte. Die Geister hatten ihm eine Prüfung auferlegt, und er war daran gescheitert. Sie haben mich in das Land ihrer verderbten Geschwister geschickt, um zu sehen, ob ich Wahrheit von Lüge unterscheiden kann. Und ich kann es nicht. Ich habe es nie gekonnt! Der letzte Rest Zorn, den er ob Nescas schändlichem Verrat in sich erweckt hatte, richtete sich gegen das einzige Ziel, das es wert war, restlos ausgelöscht zu werden: seinen eigenen Verstand. In einer grellen Lohe drang ihm das Feuer aus allen Poren und verwandelte ihn in eine Kreatur, die nichts mehr als Schmerz kannte. Schmerz und Zorn.
    »Es tut mir so leid.« Ihre Stimme war nicht mehr als ein Hauch, doch er reichte aus, ihn aus dem blinden Nichts zu locken. »Es tut mir so unendlich leid.«
    Er spürte Wind über seinen Körper streichen, eine wiegende Bewegung, schmeckte nasses Salz auf seinen Lippen.
    »Ich musste es tun.«
    Er schlug die Augen auf. Zum zweiten Mal in nur einer Nacht hatte sie seinen Kopf auf ihren Schoß gebettet, und zum zweiten Mal in nur einer Nacht flog er in schwindelerregender Höhe unter einem sternenfunkelnden Firmament.
    »Du hattest es ihm doch versprochen«, wisperte sie. »Und manche Dinge müssen wahr werden, damit die Welt eine Ordnung hat.«
    Er drehte den Kopf zur Seite, sah schwarze Schwingen gleichmäßig und kraftvoll schlagen, auf und ab, auf und ab, als wollten sie seiner eigenen Ohnmacht und Kraftlosigkeit spotten.
    »Ich habe gelogen, damit die Wahrheit siegen kann.« Sie küsste ihn auf die Stirn. »Vergib mir.«
    Und so trug Schwarzschwinge die beiden Menschlein auf seinem Rücken fort von der brennenden Stadt, fort vom Schutt zweier Türme für die Ewigkeit. Er trug sie, bis das erste Licht des Morgens Flammen auf seine Schwingen malte, und er trug sie noch, als unter ihnen nichts mehr war als eine endlos wogende See aus windgepeitschtem Gras.

Epilog

     
    Pukemasu hatte lange mit sich gehadert, ob sie den Ritt wirklich auf sich nehmen sollte. Sie war so alt, dass die Knochen in ihrem Hintern schmerzhaft am Sattel scheuerten, und Itomni war nicht gerade die
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