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Helden

Helden

Titel: Helden
Autoren: Jutta Richter
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einschlafen.
    Corinna und ich haben geschworen, nie mehr Geld von ihm anzunehmen. Wenn er uns trotzdem was gibt, werden wir es in seinen Briefkasten werfen.
    Lukas Trietsch hat das mitgekriegt und gemeint, wir wären total bescheuert.
    »Typisch Weiber«, hat er gesagt. »Von guten Taten kann man sich doch nichts kaufen. Aber Mädchen können eben nicht rechnen. Ehrlich, Leute.«
    Mir ist egal, was Lukas meint. Der hat sowieso keine Ahnung. Der klopft doch nur Sprüche.
    Wenn man im Dunkeln wartet, sind alle Geräusche viel lauter. Ich höre den Wecker ticken, ich höre den Fußboden knacken. Mama sagt immer: »Das Holz arbeitet«, aber ich weiß genau, dass das nicht sein kann. Das Holz hat ja keine Hände. Unheimlich ist das Knacken trotzdem.
    Ich warte darauf, dass der Schlüssel sich endlich in der Korridortür dreht. Ich warte auf Mamas Stöckelschuhschritte und Papas Räuspern. Papa räuspert sich jedes Mal, wenn er vor der Korridortür steht.
    »Wir gehen zum Nachbarschaftstreffen«, hat Mama gesagt und sich die Lippen ganz rot gemalt. »Es kann später werden. Schlaf schön. Und warte nicht auf uns.«
    Aber ich warte trotzdem. Erst wenn sie wieder da sind, werde ich so tun, als ob ich schlafe.

ANGST
    Eigentlich waren es nur dreihundert Meter von Thiemanns Garage bis zu Benno Brünings Haus. Dreihundert Meter und eine Straßenecke. Aber für uns war es der längste Weg der Welt.
    Wir gingen ihn mit gesenkten Köpfen, die Hände hatten wir tief in den Jackentaschen versteckt, und obwohl wir zu dritt waren, ging jeder von uns diesen Weg allein.
    Einer für alle gab es nicht mehr.
    Einer für alle, das war damals gewesen in Thiemanns Garage, vor hundert Sekunden oder hundert Stunden oder hundert Tagen. Die Angst saß auf meinen Schultern wie eine große schwarze Katze.
    Die Angst war so schwer, dass sie Felix Vorhelm in den Asphalt drückte.
    Die Angst machte Corinna weiß und durchsichtig.
    An der Straßenecke blieb Felix plötzlich stehen. »Das mit dem Schwur wegen dem Feuer gilt nicht mehr«, sagte er, ohne aufzublicken. »Das mit dem Schwur könnt ihr vergessen.«
    »Aber dann musst du doch wieder ins Kinderheim.« Corinna hatte Tränen in den Augen.
    »Ist doch egal«, murmelte Felix. »Ist doch ganz egal. Irgendwann kommt sowieso immer alles raus.«
    Vor Benno Brünings Haus stand tatsächlich ein Streifenwagen. Die Beifahrertür war geöffnet, und eine junge Polizistin sprach in das Funkgerät. Lukas Trietsch winkte uns heran.
    »Leute, jetzt kommt doch endlich!«, rief er.
    Die Polizistin warf ihm einen ärgerlichen Blick zu.
    Wir hatten Lukas Trietsch fast erreicht, als ein Krankenwagen um die Ecke bog, dicht gefolgt vom Notarztwagen. Das Blaulicht drehte sich, Türen wurden aufgerissen, zwei Sanitäter öffneten die Heckklappe und zogen eine Trage heraus. Die Polizistin brachte den Notarzt zur Haustür, er trug einen schweren schwarzen Arztkoffer.
    Eigentlich war alles wie im Fernsehen, nur dass es diesmal die Wirklichkeit war.
    »Der alte Brüning hat bestimmt einen Herzinfarkt bekommen, als sie ihn verhaften wollten«, grinste Lukas Trietsch.
    »Halt die Klappe, Fettklops, sonst polier ich dir die Fresse!«
    Felix’ Augen waren schwarz vor Zorn. Er ballte die Fäuste.
    »Schlag doch zu«, sagte Lukas. »Dann kriegst du eine Freifahrt im Polizeiauto.«
    »Und du eine im Krankenwagen!«, fauchte Felix.
    In diesem Augenblick öffnete sich die Haustür. Die junge Polizistin und ein älterer Polizist kamen auf uns zu. Mir stockte der Atem. Der Polizist legte seine Hand auf Lukas’ Schulter und machte ein finsteres Gesicht.
    »So, Freunde, ihr geht jetzt mal ganz schnell nach Hause. Hier gibt es nämlich nichts zu sehen.«
    So schnell wir konnten, rannten wir zur Straßenecke.
    »Junge, vergiss dein Fahrrad nicht!«, rief der Polizist hinter uns her. Wir lehnten keuchend an der Hauswand, wir hörten, wie die Autotüren zuschlugen und der Motor aufheulte, dann war das Polizeiauto weg. Vorsichtig lugten wir um die Ecke.
    Wir sahen, wie die Sanitäter Benno Brüning auf der Trage aus dem Haus trugen. Über seine Nase hatten sie eine durchsichtige Plastikmaske gestülpt. Sie schoben die Trage in den Krankenwagen, das Martinshorn heulte, dann war alles vorbei.
    »Und jetzt?«, fragte Lukas Trietsch.
    »Jetzt muss ich nach Hause«, sagte Felix. Er drehte sich um und schlenderte langsam die Straße runter.
    »Ich muss auch weg«, sagte Corinna schnell und ließ uns stehen.
    Als ich gehen wollte, hielt Lukas
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