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Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition)

Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition)

Titel: Heillose Zustände: Warum die Medizin die Menschen krank und das Land arm macht (German Edition)
Autoren: Werner Bartens
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nicht ständig den Geldwert ihrer Arbeit vorhalten«, so Hartzband und Groopman. »Erfolgreiche und gute Medizin entsteht durch Kooperation, Kollegialität, Teamwork – genau diese Eigenschaften werden aber untergraben, wenn das Gesundheitswesen zum Marktplatz wird.« Gute Medizin zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass alle Patienten die richtige Therapie bekommen. Empathie ist mindestens ebenso wichtig, wird aber durch das zunehmende Gewinnstreben bedroht.

Rettet die Medizin vor der Ökonomie!
    Es ist ein Alarmruf, und aus ihm spricht mindestens so viel Trauer wie Empörung. Die Harvard-Mediziner Pamela Hartzband und Jerome Groopman beklagen vehement, dass sich die Heilkunde immer stärker der Ökonomie unterwerfe und Krankenhäuser zu Fabriken würden. [24]   Die veränderte Sprache der Medizin spiegele die Umwertung von der individuell ausgerichteten Fürsorge zur industrialisierten Krankenbehandlung bereits deutlich wider. Patienten sind keine Patienten mehr, sondern »Kunden« oder »Konsumenten«. Ärzte und Pflegekräfte haben sich zu »medizinischen Leistungserbringern« gewandelt. In Medien, Fachmagazinen und sogar während der Visite würden diese Begriffe immer häufiger verwendet. Synonym seien sie aber keineswegs. Patient leite sich vom Lateinischen patiens ab, das bedeute so viel wie leiden und aushalten können. Der Begriff Doktor stamme von docere, was lehren bedeutet. Der Arzt leitet sich vom Griechischen iatros ab, dem Heiler. In Wortschöpfungen wie »medizinische Dienstleister« oder »Leistungserbringer« findet sich der fürsorgliche Aspekt nicht wieder.
    Diese sprachlichen Veränderungen sind Ausdruck einer Krise, in der sich die Medizin in vielen wohlhabenden Ländern befindet. Archaische Begriffe wie Patient, Arzt oder Pfleger passen demnach nicht mehr in einen Krankenhausalltag, der den Fertigungsprozessen der Industrie angepasst werden soll. Auf das Verhältnis zwischen Ärzten, Pflegekräften und Patienten wirkt sich die Wortwahl aus. Diese individuelle Beziehung werde in die Begrifflichkeit von Geschäftskontakten überführt.
    In Deutschland wird die Sorge vor der zunehmenden Ökonomisierung der Medizin von vielen Ärzten artikuliert. Standardisierte Verfahren wie Disease Management Programme für die Arztpraxen fassen Krankheiten zusammen, dabei kommen individuelle Eigenheiten der Kranken oft zu kurz. In Kliniken wird nach codierten Diagnosen und DRG (Diagnosis Related Groups) abgerechnet – oft verbiegen Ärzte ihre Diagnosen so lange und erfinden neue hinzu, bis sie in den Krankheitenkatalog passen. Mit dem Erleben und Befinden der Kranken hat das oft nichts mehr zu tun.
    Wird der Patient zum Kunden, der etwas kauft, und wird der Arzt zum Verkäufer, drohen die wichtigen psychologischen, spirituellen und humanistischen Aspekte der Beziehung zum Patienten darüber verlorenzugehen. Dass der Doktor den Kranken lehren kann, wie es zu seiner Krankheit gekommen ist und wie er wieder gesunden kann, verschwindet hinter den Dienstleistungsbegriffen der Medizin ebenso wie die fürsorgliche Arbeit der Pflegenden.
    Wird die Medizin auf die Monetik reduziert, bleibt nur die Karikatur einer Arzt-Patienten-Beziehung übrig. Der schleichende Wertewandel, der dadurch die Medizin ergreift, kann nicht überschätzt werden. Ärzte, für die merkantile Interessen im Vordergrund stehen, waren jahrhundertelang – etwa bei Molière oder Turgenejew – dem Gespött ausgesetzt und wurden als Scharlatane verhöhnt, die ihren Beruf verraten haben.
    Mit der Neuorientierung der Medizin geht die Geringschätzung dessen einher, was lange als »klinisches Urteil« der Ärzte hoch geachtet war. Statt die Erfahrung der Heilkundigen zu würdigen, dominieren Leitlinien – so wie in Fabriken workflow manuals. Das klinische Urteil hingegen wird als subjektiv und unwissenschaftlich diskreditiert. Dabei wird verkannt, dass es in der Medizin nie objektive Daten geben kann, sondern Befunde immer in den individuellen Kontext eingeordnet werden müssen. Auch bestimmt die Bedeutung, die der Patient seinem Leiden und seinen Genesungswünschen zuteilt, entscheidend über die weitere Vorgehensweise mit.
    Begriffe wie Markt und Mehrwert haben in der Ökonomie ihren Platz, aber nicht im Krankenhaus. Ob sich der skizzierte Trend aufhalten oder gar umkehren lässt, ist zweifelhaft. Im Oktober 2011 fand in München der 10. Europäische Gesundheitskongress statt. Ein Motto der Tagung lautete: »Die neue Rolle des Patienten
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