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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn
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richtig zu gehen und zu stehen und zu reden, und dann haben Sie mich wie eine verdammte Kirsche gepflückt.«
    Sein Blick strandete auf dem zerkratzten Holz der Tischplatte.
    »Ich kann mich an meinen Vater erinnern«, erzählte er mit bitterer Stimme. »Es war an dem Tag, als ich Zugriff auf die Datenstacks meiner Familie erhielt. Gleich am Morgen nach meiner Initiationsfeier. Ich war noch verkatert, total abgebrannt, und Tanaseda und Kadar und Hirayasu standen in seinem Büro wie drei beschissene Vampire. An diesem Tag hat er geweint.«
    »Der Hirayasu?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, das ist sein Sohn. Yukio. Möchtest du wissen, wie lange ich Yukio schon kenne? Wir sind zusammen aufgewachsen. Wir sind im gleichen Kanji-Kurs eingeschlafen, haben uns mit dem gleichen take bedröhnt und sind mit den gleichen Mädchen ausgegangen. Als ich mein Praktikum in DigIn-Biotech angefangen habe, ging er nach Millsport. Ein Jahr später kam er in diesem saublöden Anzug zurück.« Er blickte auf. »Meinst du, es macht mir Spaß, von den Schulden meines Vaters zu leben?«
    Eine Antwort schien überflüssig. Und ich wollte mir nicht noch mehr von dem Zeug anhören müssen. Ich nahm noch einen Schluck von dem Whisky und fragte mich, wie er auf den Geschmacksknospen eines echten Sleeves brennen würde. Andeutungsweise hob ich mein Glas. »Und wie kommt es, dass sie heute Nacht dein De- und Re-Set gebraucht haben? Es wird doch wohl mehr als nur eine DigIn-Ausrüstung in der Stadt geben.«
    Er zuckte die Achseln. »Da muss was schief gegangen sein. Sie hatten ihre eigene Ausrüstung, aber sie wurde kontaminiert. Meerwasser in den Gelleitungen.«
    »Organisiertes Verbrechen, was?«
    Wütender Neid lag in seinem Blick. »Du hast keine Familie, stimmt’s?«
    »Nichts, was du so nennen würdest.« Das war etwas grob, aber er musste die allzu nahe liegende Wahrheit nicht unbedingt erfahren. Speis ihn mit was anderem ab. »Ich war lange fort.«
    »Eingelagert?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Auf anderen Welten.«
    »Andere Welten? Auf welchen warst du?« Die Aufregung in seiner Stimme war unverkennbar. Nur seine spärlichen Überreste von Standesbewusstsein hielten ihn etwas zurück. Im Glimmer-System gab es außer Harlans Welt keine bewohnbaren Planeten. Behutsame Terraformungs-Versuche auf Glimmer V weiter draußen auf der Ekliptik würden zumindest im Laufe des nächsten Jahrhunderts keine nutzbaren Ergebnisse zeitigen. Für einen Harlaniten bedeutete die Reise zu einer anderen Welt einen Needlecast über interstellare Distanzen. Es bedeutete, sein physisches Selbst abzustreifen und Lichtjahre entfernt unter einer fremden Sonne einen neuen Sleeve zu bewohnen. Alles sehr romantisch.
    Im öffentlichen Bewusstsein waren bekannte Needlecast-Reisende gefeierte Persönlichkeiten, ähnlich wie Piloten auf der Erde in den Zeiten des Raumflugs innerhalb des Sonnensystems.
    Der Umstand, dass diejenigen, die man heute feierte, im Gegensatz zu den früheren Piloten eigentlich gar nichts tun mussten, um per Hypercast zu reisen, der Umstand, dass sie in vielen Fällen keine tatsächlichen Fähigkeiten oder Charakterstärken außer ihrem Needlecast-Ruhm hatten, schien ihrer triumphalen Eroberung der öffentlichen Phantasie nicht im Wege zu stehen. Die Alte Erde war natürlich der Jackpot unter den Reisezielen, aber letztlich schien es keinen großen Unterschied zu machen, wo man hinging, solange man nur zurückkam. Es handelte sich um eine beliebte Methode, den verblassenden Ruhm von Experia-Stars und in Ungnade gefallenen Millsporter Kurtisanen aufzupolieren. Wenn man irgendwie die Gebühr für den Needlecast zusammenkriegte, konnte man sich halbwegs auf einige Jahre gut bezahlte Medienpräsenz in den Skullwalk-Magazines verlassen.
    Das gilt natürlich nicht für Envoys. Unsereiner ist normalerweise ohne großes Aufsehen abgereist, hat hier und da einen planetenweiten Aufstand niedergeschlagen, das eine oder andere Regime gestürzt und anschließend durch etwas Praktikableres ersetzt, das der UN zusagte. Metzelei und Unterdrückung quer durch den Kosmos, natürlich um der guten Sache eines vereinten Protektorats willen.
    So etwas machte ich mittlerweile nicht mehr.
    »Warst du auf der Erde?«
    »Auch.« Ich lächelte bei einer Erinnerung, die rund ein Jahrhundert alt war. »Die Erde ist ein Dreckloch, Plex. Eine beschissene, statische Gesellschaft mit einer überreichen, unsterblichen Oberklasse und eingeschüchterten Massen.«
    Er zuckte wieder
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