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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn
Autoren: authors_sort
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schließlich so dick an der Kleidung und auf Deck, dass man ernsthafte Produktivitätseinbußen durch eingeatmetes Gift und Hautreizungen erleiden konnte. Die ganze Nacht über liefen immer wieder Käscherschiffe ein, um Besatzung und Deck mit billigen Biolösungsmitteln besprühen zu lassen. Hinter den grellen Angier-Lampen an der Säuberungsstation hatte eine Reihe Bars und Imbissstuben bis zum Morgengrauen geöffnet.
    Plex, aus dem Entschuldigungen wie aus einem löchrigen Eimer heraussprudelten, führte mich durch den Lagerhausbezirk zum Kai und in eine fensterlose Bar namens Tokio-Krähe. Das Ding unterschied sich kaum von einer heruntergekommenen Millsporter Hafenkneipe – die fleckigen Wände waren mit skizzenhaften Abbildungen von Ebisu und Elmo bemalt, zwischen denen hier und da Standardvotivplaketten in Kanji oder amenglischer Lateinschrift hingen: Wir erbitten ruhige See und volle Netze. Über Monitore hinter der Spiegelholztheke flimmerten die lokalen Wetterberichte und Nachrichten über orbitale und planetare Entwicklungen. Auf einem breiten Projektionssockel am anderen Ende der Bar lief der unvermeidliche Holoporno. Quallenfischer mit müden, konturlosen Gesichtern säumten die Bar und saßen in kleinen Grüppchen um die Tische. Es war eine deutlich ausgedünnte Versammlung, größtenteils männlich und größtenteils schlecht gelaunt.
    »Ich zahle«, sagte Plex schnell, als wir eintraten.
    »Das will ich hoffen.«
    Er warf mir einen verlegenen Blick zu. »Hm. Ja. Klar. Also, was möchtest du?«
    »Was auch immer hier als Whisky durchgeht. Irgendwas, das ich mit den Geschmackssystemen dieses beschissenen Sleeves wahrnehmen kann.«
    Er schlurfte zur Bar, während ich mir aus reiner Gewohnheit einen Ecktisch mit Blick zur Tür und über die Kundschaft suchte. Ich ließ mich nieder und stöhnte, als die Kleidung über meine blasterversengten Rippen scheuerte.
    Was für eine verdammte Schweinerei.
    Nicht unbedingt. Ich legte die Hand auf die Tasche, in der sich die Stacks befanden. Ich habe, weswegen ich hergekommen bin.
    Gibt es einen bestimmten Grund, warum du ihnen nicht einfach im Schlaf die Kehlen durchschneiden konntest?
    Sie mussten es erfahren. Sie mussten es kommen sehen.
    Plex kehrte von der Bar zurück. Er trug zwei Gläser und ein Tablett mit schlaffem Sushi und wirkte unerklärlicherweise zufrieden mit sich.
    »Hör zu, Tak. Du brauchst dir keine Sorgen wegen dieses Schnüffeltrupps zu machen. In einem synthetischen Sleeve…«
    Ich sah ihn an. »Ja. Ich weiß.«
    »Und, na ja. Es sind ja auch nur sechs Stunden.«
    »Und der ganze morgige Tag, bevor mein Hoverlader ausläuft.« Ich griff nach meinem Glas. »Ich glaube wirklich, dass es für dich besser wäre, die Klappe zu halten, Plex.«
    Und das tat er. Nach ein paar brütenden Minuten stellte ich fest, dass es auch nicht das war, was ich wollte. Ich fühlte mich unwohl in meiner synthetischen Haut und zuckte, als würde ich vom Meth runterkommen. Meine gesamte physische Existenz bereitete mir Unbehagen. Ich brauchte Ablenkung.
    »Kennst du Yukio schon lange?«
    Er blickte missmutig auf. »Ich dachte, ich sollte…«
    »Ja. Schon gut. Ich bin heute angeschossen worden, und das hat meine Laune nicht gerade verbessert. Ich wollte nur…«
    »Man hat dich angeschossen?«
    »Plex.« Ich beugte mich betont vor. »Könntest du bitte, verdammt noch mal, leiser reden.«
    »Oh. Tut mir Leid.«
    »Ich meine…« Ich hob hilflos die Handflächen zum Himmel. »Scheiße, wie bleibst du eigentlich im Geschäft, Mann? Du solltest dich endlich wie ein Krimineller benehmen, Himmel noch mal!«
    »Ich hab’s mir nicht ausgesucht«, erwiderte er steif.
    »Nein? Wie wär’s dann mit der Arbeit, der diese Typen hier nachgehen? Dafür kann man sich hier doch sicher irgendwo anmelden.«
    »Sehr komisch. Ich nehme an, du hast dich für eine militärische Laufbahn entschieden, stimmt’s? Im verfluchten Alter von siebzehn Standardjahren oder so.«
    Ich zuckte die Achseln. »Ich habe eine Entscheidung getroffen. Das Militär oder die Gangs. Ich habe eine Uniform angezogen. Wurde besser bezahlt als das kriminelle Zeug, das ich eh schon gemacht habe.«
    »Ich war nie in einer Gang.« Er stürzte einen guten Teil seines Drinks hinunter. »Dafür hat die Yakuza gesorgt. Die Gefahr wäre zu groß gewesen, dass ihre Investition verdorben würde. Ich bin zu den richtigen Lehrern gegangen, habe meine Zeit in den richtigen gesellschaftlichen Kreisen verbracht, habe gelernt,
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