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Happy birthday, Türke!

Happy birthday, Türke!

Titel: Happy birthday, Türke!
Autoren: Jakob Arjouni
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die Polizei keine Lust, sich die Arbeit wegnehmen zu lassen? Da war noch eine Möglichkeit. Wenn ich durch Zufall als türkischer Abgesandter ins Schwarze getroffen hätte? Bestimmt hatte Futt nach Empfang meiner Visitenkarte die Botschaft angerufen, um nachzufragen. Wenn nun die Türkische Botschaft, anstatt in orientalisches Gelächter auszubrechen, hellhörig geworden wäre? Vielleicht störte sie, daß ein hergelaufener Landsmann mit Sachen um sich warf, mit denen sie selber werfen wollte. Vielleicht kam den Vertretern der türkischen Diktatur der Tod von Ahmed Hamul auch ganz gelegen, und sie wollten nun in diesem Zusammenhang nicht gern genannt werden.
    So langsam fielen mir die Fragen ein, die ich der Familie Ergün stellen mußte. Hatte Ahmed Hamul eine politische Vergangenheit? Bekam er viel Post aus der Heimat? War er in Deutschland vielleicht Mitglied eines Kegelclubs, der sich intensiv mit der Abschaffung der türkischen Regierung befaßte?
    Ich pulte mir einen Rest Hackfleisch aus den Zähnen, holte das Bastelwerk von der Wand und betrachtete es.
    Ob die Türkische Botschaft mich mit ›Türke‹ anreden würde? Warum nicht? Ich zündete mir eine Zigarette an und suchte im Telefonbuch die Nummer der Botschaft. Achtmal klingelte es. Die Telefonistin hatte Feierabend. Ich legte auf.
    Weihnachten, Ostern und Pfingsten sind Zeiten, zu denen ganz Deutschland Päckchen für die Verwandtschaft packt. Es sind die Zeiten, für die die Post Sondertrupps anheuert, um den Berg eingeschnürter Plätzchen und Schlafanzüge abzutragen. Umschlagplatz ist der Bahnhof. Wenn ich etwas über den Gelegenheitsarbeiter Ahmed Hamul erfahren wollte, mußte ich dort nachfragen. Ich trank das zweite Bier. Nebenan in der Wohnung des haarigen Sozialpädagogen wütete die Stimme eines Westernhelden.
    Ich hätte mir auch lieber Indianerschlachten angesehen. Statt dessen schlurfte ich hinaus in den hellblauen Augustabend.
    Die Vögel flöteten in den schläfrigen Strahlen der untergehenden Sonne. Es war angenehm warm.
    Der Opel stand immer noch beim Büro. Ich steuerte die nächste U-Bahn-Station an. Die Rolltreppe zog mich unter das Pflaster in die stickigen Hallen. Zwei Typen, rosa glänzende Haare, jede Menge Werkzeug im Gesicht, torkelten mir entgegen. Ich zog ein Ticket und setzte mich auf eine Bank. Neben mir erzählten sich drei Alte Abenteuer aus dem Altersheim.
    Der Zug donnerte herein. Die drei erhoben sich vorsichtig und staksten zur Schiebetür. Ich hatte keine Lust auf mehr Geklapper von dritten Zähnen, setzte mich in die andere Ecke des Waggons und las Reklameschilder.
    ›Schleck dir einen!‹ Das Schild zeigte einen länglichen Plastikzylinder mit Vanilleeisrohr. Wenn man lecken wollte, konnte man das Rohr rausschieben, danach wieder zurückziehen, und immer hin und her, bis die milchige Creme alle war. Wieso hatte ich es eigentlich nicht bei der Werbung versucht? Eine Dose, oben drauf eine Schuhbürste, und wenn man dran kitzelt, blubbert es roten Himbeersaft.
    Der Zug hielt, und ich stürzte mich ins Bahnhofsdurcheinander. Ein blumenschwenkender Junge rannte mich fast über den Haufen. Zwei schlitzäugige Minoltas erkundigten sich, wo die Frauen seien. Schließlich lehnte ich an einem der zehn Postschalter und musterte den Rücken vor mir.
    »’n Abend. Sagen Sie, an wen müßte ich mich wenden, wenn ich Lust hätte, Postsäcke durch die Gegend zu schleppen?«
    »Hhm?«
    »Hab ’ne Menge Muskeln, aber keinen Job.«
    »Hhm?«
    »Okay, ich will wissen, wo die Männer zu finden sind, die Pakete und Päckchen verladen.«
    Immerhin, er drehte sich um und deutete mit dem Daumen die Treppe runter.
    »Gleis eins is ’ne Tür, steht Post drauf.«
    »Danke.«
    »Hhm.«
    Ich fand die Tür und stieß sie auf. Wieder ein Schalter, wieder ein Rücken, wieder ein längeres Hin und Her. Er wies mich zur nächsten Tür. Dahinter müsse irgendwo der Personalchef sitzen. Irgendwo dahinter war eine vergitterte Halle mit Eingepacktem, dann eine Art Umkleidekabine und endlich das Schild PERSONALBÜRO . Ich klopfte an. Ohne Antwort zu bekommen, ging ich hinein.
    »Noch nie was von Warten gehört?« kam es säuerlich aus der Ecke.
    Dort saß Schwabbel. Schwabbel hatte einen roten Seemannsbart, der die Oberlippe frei ließ, eine picklige Stirn und zurückgekämmtes fettiges Haar.
    Das Büro war ein Büro wie hundert andere auch. Billige Preßspanmöbel, grauer Linoleumfußboden, Autokalender, Klolampe.
    Die Flasche Bier lugte miserabel
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