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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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sagte er, aber ich habe Ihnen ein Wort zu sagen, ein Wort, das Sie schwerlich ganz unerwartet treffen kann; doch würde ich es wohl kaum heute über die Lippen bringen, wenn die Ereignisse mir nicht den Wunsch nahelegten, es möchte mir das Recht vergönnt sein, Ihnen Schutz und Mitgefühl zu gewähren.
    Erschreckt hielt er inne: bei den letzten Worten war sie totenblaß geworden, und ihr Atem ging schwer; allein etwas in ihrem Wesen gab ihm den Mut, fortzufahren und seine aufsteigenden Befürchtungen niederzukämpfen. Sie wich nicht vor ihm zurück, als er, so ruhig er vermochte, weitersprach:
    Ich liebe Sie, Imogen! Erhören Sie meine Bitte, werden Sie mein Weib und machen Sie mein Haus zu einer Stätte des Glücks auf immerdar!
    Jetzt erst schien sie recht zum Bewußtsein zu erwachen. Sie fuhr zusammen und streckte wie abwehrend die Hände aus, aber nur einen Moment. Noch ehe er sich sagen konnte, daß alles aus sei, daß seine schlimmste Furcht sich bestätige, da nur das Bewußtsein einer unübersteiglichen Kluft zwischen ihnen ihr Zurückschaudern erklären könne, hatte sie sich ihm schon wieder zugewandt. Aus ihren Zügensprach ein schwerer Kampf, eine düstere Wolke lag auf ihrem Antlitz, aber die Scheu und Entfremdung, vor der ihm so namenlos bangte, war nicht darin zu lesen.
    Lange fand sie kein Wort der Erwiderung, dann kam es in kurzen abgerissenen Sätzen von ihren Lippen:
    Sie sind sehr gütig – Ihre Frau zu sein – wäre mir ein Schutz – eine Ehre. – Ich weiß sie zu würdigen. Doch bin ich heute nicht imstande, Worte der Liebe aus eines Mannes Mund anzuhören. In einem halben Jahr vielleicht –
    Aber schon hielt er sie in den Armen. Seine Freude über die Erlösung von der entsetzlichen Angst war so groß, daß er alles darüber vergaß. Imogen, murmelte er, teures Mädchen!
    Mit angstvollem Stöhnen machte sie sich frei; sie fühle sich matt und krank, sagte sie, und wolle auf ihrem Zimmer Erholung suchen. Sie litt sichtlich, und schon wollte er sie von sich lassen, als ihm zur rechten Zeit noch einfiel, daß er zwar über die Hauptsache beruhigt sei, aber für die andern Rätsel noch keine Erklärung wisse.
    Imogen, bat er, nur noch einen Augenblick. Ich muß noch eine Frage an Sie richten, so schwer es mir fällt, Sie zu quälen. – Was bedeutet Ihr Interesse an dem furchtbaren Verbrechen, das heute begangen wurde? Warum hat es auf Sie eine so erschütternde Wirkung geübt, daß Sie förmlich wie umgewandelt sind?
    Sie sah ihm fest in die Augen.
    Ist es nicht ganz natürlich, wenn ich Anteil nehme an dem gewaltsamen Tode einer Frau, deren Namen ich hier im Hause häufig vernommen habe?
    Das wohl; aber auffällig war es, sich an den Ort des Verbrechens zu drängen, von dem jedes andere Mädchen sich schaudernd ferngehalten hätte.
    Ich bin nicht wie die andern. Wenn ich von etwasDunklem, Rätselhaftem höre, wünsche ich es zu verstehen. Die Leute mögen von mir denken, was sie wollen.
    Aber Ihre unverkennbare Angst, Ihr Entsetzen, Imogen! Sehen Sie in den Spiegel, wie verstört Sie noch jetzt aussehen! – Wenn Frau Klemmens für Sie eine Fremde war, wie Sie mich immer glauben ließen, woher dann diese furchtbare Aufregung über das heutige Trauerspiel?
    Sie wich der forschenden Frage aus.
    Mir machen solche Schrecknisse einen dauernden Eindruck, sagte sie; ich kann nicht so schnell vergessen, wie andere Leute.
    Sich der Tür nähernd, legte sie die Hand auf den Drücker. Er sah, daß sie unter dem Handschuh den Ring nicht mehr am Finger trug, den sie in der Witwe Haus angesteckt hatte.
    Ihre Blicke begegneten sich und sie erriet seine Gedanken. Sie möchten wissen, sagte sie, woher der Ring stammt, der bei dem heutigen Auftritt so unerwartet zum Vorschein kam? – Ich habe dem Herrn, der ihn aufhob und mir einhändigte, geantwortet, daß er mir gehöre; sollte das nicht auch dem Manne genügen, der heute erklärt hat, er würdige mich eines so unbedingten Vertrauens, daß er mich zu seiner Gattin wählen wolle? – Doch gestehe ich, daß es mich selbst aufs höchste überrascht hat, als der Ring dort im Zimmer vom Boden aufgehoben wurde. Ich hatte ihn vielleicht allzu unbedachtsam in eine Tasche gesteckt – wie oder wann er herausgefallen ist, kann ich nicht sagen. – Was aber den Ring selbst betrifft, so haben wohl junge Damen öfters Besitztümer, von denen ihre Freunde nichts wissen, fügte sie in stolzem Ton hinzu.
    Hier war wenigstens die Möglichkeit einer Erklärung gegeben, mit

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