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Hamburg Horror Noir - Halloween Special

Hamburg Horror Noir - Halloween Special

Titel: Hamburg Horror Noir - Halloween Special
Autoren: Christian Sidjani
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Adams-Kostüm. So erwachsen nun, eine wirkliche Frau. Jede ihrer Bewegungen von Anmut geprägt, immer bewusst, was sie tut, sich ihrer Wirkung auf das andere Geschlecht bewusst.
    Und da steht er... ich... das Kostüm des Michael Myers. Lasziv haucht sie: Bitte nimm die Maske ab, Michael . Er ist größer als ich, denke ich, also kann ich es nicht sein. Er tut sofort, was sie verlangt. Zum Vorschein kommt die Fratze in all ihren grässlichen Details. Die aufgerissenen Augen ohne Lider, das geschlitzte Grinsen, die eitrige Nase. Und Larissa berührt ihn, streichelt über seine vernarbte, klebrige Haut. Schließlich stellt sie sich auf ihre Zehenspitzen und küsst ihn, tief und innig auf seinen Mund. Zähflüssiges rinnt an ihrem Kinn hinab, als sie sich von ihm löst. Dann blickt sie zu mir. Ich gehöre jetzt zu ihm, Jakob , sagt sie, aber ihre Lippen bewegen sich nicht, formen nur dieses unsägliche Grinsen. Als hätte der Kuss sie angesteckt.
    Ich brauche dir doch nicht ausführlich zu berichten, was danach geschah? Dass Larissa am nächsten Morgen nicht zu Hause war. Ich nahm an, sie war auf der Arbeit, aber als ich dort anrief, teilte mir eine Frau mit, meine Schwester sei heute nicht erschienen. Ich brauche dir nicht von meiner wachsenden Verzweiflung zu erzählen, als keiner unserer Freunde zu berichten wusste, wo meine Schwester geblieben war. Jeder hatte sie zuletzt auf Madlens Party gesehen. Und ich brauche dir erst recht nicht von den Reaktionen unserer Eltern erzählen, als aus der Ahnung eine fürchterliche Gewissheit wurde, dass Larissa verschwunden bleiben würde. Florian wurde zum letzten Menschen, der sie gesehen hatte. Mit einem Typen im Michael Myers-Kostüm, den er für mich gehalten hatte, während ich mich mit Madlen und Sarah vergnügte.
    Nach 48 Stunden meldeten wir Larissa als vermisst. Bis heute fand sich keine Spur von ihr. Auch der Privatdetektiv, den meine Mutter kurz vor ihrem Tod beauftragte, kam stets mit leeren Händen zu uns. Es war fast ein Jahr später, wieder kurz vor Halloween, als sich ein paar Fakten zusammenfügten. Ich saß mit ein paar Freunden in einem Café. Zu der Zeit hatte ich viele sogenannte Freunde, weil sich viele berufen fühlten, mich aufzubauen, oder weil sie mein Leid interessierte. Was weiß ich, warum.
    Als das Gespräch unweigerlich zu Madlens Party führte – unweigerlich, weil sie so berühmt wie jetzt berüchtigt war – stimmten alle zu, dieses Jahr nicht hinzugehen. Hatte ich mich bisher im Gespräch zurückgehalten und war in Erinnerungen verhaftet gewesen, so war nun meine Neugier an etwas anderem geweckt worden als Larissa. Obwohl, wenn ich es mir recht überlege, wusste ich schon, dass es mit ihr zu tun hatte.
    „Warum wollt ihr nicht hin?“, fragte ich.
    Auch das letzte Lächeln verschwand nun von ihren Gesichtern. Sie wussten, dass sie sich jetzt um mich kümmern mussten anstatt nur darüber zu sprechen. Ich wunderte mich nicht, als Florian mir antwortete.
    „Na ja, nachdem das letztes Jahr schon wieder passiert ist. Du weißt schon.“
    Nein, ich wusste nicht, wieso schon wieder?, und das sagte ich auch.
    „Oh Mann“, sagte er, „und wir dachten, dass dir das schon immer bewusst gewesen war. Ich meine, was da passiert ist.“ Einige nickten.
    „Wollt ihr weiter in Rätseln sprechen oder mir endlich antworten?“, fragte ich und bemühte mich, nicht ungeduldig zu klingen.
    Es stellte sich heraus, dass Larissa nicht die Einzige gewesen war, die von einer Party von Madlen verschwand. Oder sollte ich sagen, nicht die Erste?
    Meine Schwester und ich waren so blind in unserem Eifer über den Feiertag gewesen, dass wir es nie bemerkt hatten. Dabei schien es für jeden anderen am Tisch offensichtlich zu sein. Wir hatten nie viel mit ihnen zu tun gehabt, besonders nicht mit denen, die von außerhalb kamen und die ich in meinem Kostüm noch am besten zu erschrecken wusste. Vielleicht lag es daran, dass ich so unwissend war.
    Bisher hatte es nur Außenstehende getroffen, Großstädter, die in unserem Dorf so gut wie keiner gekannt hatte. Meine Freunde erzählten mir, seit der ersten Party in Madlens Haus war jedes Jahr eine Person verschwunden, die daran teilgenommen hatte. Alle hatten das stets für eine Gruselgeschichte gehalten, die irgendjemand irgendwo mal aufgeschnappt hatte und dann weitergesponnen. Doch seit es einen von uns erwischt hatte, sahen sie das anders. Sie wollten sich nach dem Vorfall mit Larissa keinem Risiko aussetzen.
    Verstehst
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