Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
Kommissar!«
Schmalfuß
nickte und seine Schultern strafften sich.
»Natürlich,
ganz Ihrer Meinung, verzeihen Sie meine kleine Eskapade. Ein Ausflug ins Reich
der Emotion. Reichlich unpassend. Hilft niemandem. Jetzt bin ich wieder da.«
Kadir
stürmte in sein Büro. Während er die Nummer der Personalabteilung wählte, rief
er Renato, der in einem seidenen Geishakostüm steckte, zu: »Renato, renn los
und mach dich mit allen, die du kennst, auf die Suche nach Seda. Sie ist
verschwunden.«
Er
war froh, dass er bei Renato nie Erklärungen abgeben oder Hintergrundwissen
teilen musste. Die Geisha warf ihre Plateausandalen ab und rannte barfuß hinaus
ohne sich nur einmal umzublicken. Die Personalsachbearbeiterin wiederum
forderte Erklärungen, doch als sie Bülbüls scharfen Ton vernahm, schickte sie
das Bewerbungsfoto von Seda, das er sofort an Dalga weiterleitete. Auf dem Weg
zum Club hatte er schon einige seiner Sicherheitsleute informiert, jetzt
telefonierte er mit den Männern aus den anderen Hotels.
»Kommen
Sie, Herr Schmalfuß, hier haben wir alles getan, wir nehmen uns jetzt jeden
Winkel der Stadt vor und versuchen vor allen Dingen zu verstehen, was in ihrem
Kopf vorgegangen ist und wo sie hinwollte. Worüber haben Sie gesprochen? Was
könnte ihr eingefallen sein?«
Sie
liefen durch die marmorverkleidete Halle an drei wassertriefenden Tauchern
vorbei. Die gläserne Schiebetür hatte sich schon geöffnet, als Kadir seinen
Namen hörte. Mitten im Lauf drehte er sich um und sah Sandra von der Rezeption
neben dem Empfangstresen stehen und ihm zuwinken.
»Hallo,
Kadir, bleiben Sie stehen! Sagen Sie mal, wissen Sie wo Seda ist?«
Die
Männer sahen sich an.
»Sie
sollte schon vor einer halben Stunde hier sein und Rüya und mich ablösen.
Eigentlich hatte sie ja ihre Schicht für heute getauscht und sollte nicht mehr
arbeiten, aber nun hat Maria wieder diese unsägliche Abendübelkeit, und man
stelle sich vor, das weiß sie schon am frühen Nachmittag, toll nicht? Himmel,
die nutzt ihre Schwangerschaft wirklich bis ins Letzte aus! Na, auf jeden Fall
hat Seda sich vorhin bereit erklärt, die Abendschicht zu übernehmen. Ich würde
es ja auch machen, aber ich habe Karten für diesen tollen bulgarischen Zirkus
und…«
»Was
meinen Sie mit vorhin ?« Kadir war mit zwei Sätzen bei Sandra, die
erschrocken innehielt.
»Hä?«,
machte sie.
»Sie
sagten, Seda sei vorhin hier gewesen! Wann war das?«
»Keine
Ahnung, Rüya, wann war das genau? Wann war Seda hier?«
»So
gegen halb zwei, zwei, würde ich sagen.«, meinte Rüya.
Da
sie Deutsch gesprochen hatten, hatte Schmalfuß alles verstanden.
»Aber
ich habe Sie doch angerufen! Sie haben mir erzählt, dass Seda nicht im Club
sei!«, ereiferte sich Schmalfuß.
»War
sie ja auch nicht. Ich meine, da war sie ja schon lange wieder weg. Also war
sie nicht im Club! Das ist alles, was ich gesagt habe. Ich lüge doch nicht, mein
Herr, ich bin nur präzise in meiner Wortwahl!«, antwortete Rüya verschnupft.
»Rüya«,
mischte sich Kadir ein. »Sie müssen mir jetzt alles haarklein schildern, denn
Seda ist in der Tat verschwunden. Was hat sie hier getan?«
»Ach
du Scheiße, wirklich verschwunden? Also, das war so. Sie kam reingerannt wie
eine wilde Hummel und ist sofort hier um den Tresen rum. Obwohl sie in
Freitzeitklamotten war, T-Shirt, Jeans und Turnschuhe und wenn der Chef das
sieht, dann … naja, sie hat was gesucht. Was suchst du denn, frag ich. Die
Rechnungen, sagt sie, die heute gekommen sind. Tja, sag ich, die sind schon in
der Buchhaltung. Also schnappt sie sich den Ordner hier …«
Rüya
verschwand in einem kleinen Gelass hinter der Wand und kam mit einem breiten
Ordner wieder, aus dem Zettelchen und Post-its ragten.
»Wir
machen von den Rechnungen Kopien für uns, die andere Korrespondenz ist uns
schnuppe, die wird im Original weitergeleitet und wenn was verlorengeht, ist es
nicht so schlimm. Aber es kommt immer wieder zu Ärger, wenn ne Rechnung im Haus
verschwindet und dann zeigen alle mit dem Finger auf die Mädels am Empfang. Wir
sind immer schuld, ist klar.«
Sie
klappte den Ordner auf und zeigte Kadir die Schreiben, die unter dem heutigen
Tagesdatum abgeheftet waren. Schmalfuß beugte sich ebenfalls über den Ordner.
Fieberhaft glitten ihre Blicke über jede einzelne Rechnung, und Schmalfuß
verfluchte sich, dass er immer noch kein Türkisch konnte.
»Und
sie hat hier nichts rausgenommen?«, fragte Kadir entmutigt. »Eine Rechnung
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