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HalbEngel

HalbEngel

Titel: HalbEngel
Autoren: Tobias O. Meißner
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und sie sagte klar und deutlich »I teach you to listen«. Ich schwöre bei der Jungfrau! Wenn ihr in mein Studio mitkommen wollt, kann ich euch das vorspielen. Ihr werdet sehen, ich spinne nicht! Und mittlerweile ist mir auch klargeworden, wie das funktioniert! Es ist eigentlich total einleuchtend: Wenn man eine Rückkopplung von einem echten, unverfälschten Genius wie Floyd Timmen nimmt und sie rückwärts einspielt, ergibt die doppelte Verneinung ein Ja, und es entsteht eine Kopplung, eine Brücke durch Dimensionen und Galaxien hindurch direkt in das himmlische Paradies!
     
    LORRAINE, 22, CROSSVILLE, TENNESSEE:
    Tja, das ist eben die Frage. Ob es sie wirklich nicht mehr gibt, meine ich. Das muss man sich halt durch den Kopf gehen lassen: Was ist eigentlich das Entscheidende bei einer Band? Ihr augenblicklicher Status? Oder das, was sie hinterlassen hat? Wenn du mich fragst, ist zum Beispiel Elvis tatsächlich nicht tot. Nicht, weil ich blöd genug bin, daran zu glauben, dass der dicke Presley in irgendwelchen Supermärkten rumlatscht. Nein, aber ich finde, solange irgendwo auf diesem Planeten von irgendwem eine Elvis-Melodie gesummt oder irgendwas von Elvis im Radio gespielt wird, solange gibt es Elvis noch. Und mit allen anderen toten oder aufgelösten Musikern und Bands ist das genauso. Bei Schriftstellern ist das so. Bei Malern kann es so sein, bei Architekten auch. Filmschauspieler. Filmemacher. Alles, was irgendwie überdauert. Politiker nicht. Politiker spielen nach ihrer Amtszeit doch wirklich keine Rolle mehr. Es gibt nicht ein einziges Weltreich der Antike, das nicht untergegangen ist und an dessen Führer man sich noch richtig erinnern kann. Aber Bauwerke sind geblieben, Malereien, Gedichte und Dramen, und in späterer Zeit dann auch Musik. Ich finde, es ist ein schöner Gedanke, zu wissen, dass die Musik von MBMI wahrscheinlich immer weiterleben wird. Dass sie sich sozusagen fortpflanzen wird in den Generationen. Und sich weiterentwickeln. Verändern. Musik lebt. Musik ist ein lebendes Wesen, und wie der ›Legless Bird‹ kann sie niemals endgültig landen. Sie macht Stippvisiten bei den Menschen und hinterlässt dabei die verschiedensten Eindrücke, aber dann schwingt sie sich wieder auf und zieht weiter. Und die Musiker? Tja, das ist noch so eine interessante Frage. Sie sind vielleicht niemals ihre eigenen Herren, sondern immer nur Sklaven der Musik. Nur so was wie Botschafter, oder Vermittler. Ich weiß es nicht. Keine Ahnung. Man muss wohl selber Musiker sein, um das zu verstehen.
     
    UNBEKANNT, SCHWARZ, MÄNNLICH, CA. 25, WATERBURY,
    CONNECTICUT:
    Lasst mich in Ruhe, ihr Arschlöcher, okay? Was wollt ihr von mir? Was? Das T-Shirt? Was muss ich machen, damit ihr ... Wartet! Einen Moment. So. Ich hab’s ausgezogen, seht ihr? Und jetzt – werfe ich’s weg. Habt ihr genau hingesehen? So, und was nun? Was macht ihr jetzt? Da staunt ihr, hm? Ihr Scheißer! Ihr habt keinen Grund mehr, mich zu belästigen! Fuck off! FUCK OFF!

Der zwölfte von zwölf Rhythmen
     
    Bei der Hitze trug Luke nie ein Shirt, allein schon wegen der Tattoos.
     
     
    Schließlich hatten sie ein Heidengeld gekostet. Lukes Ma und sein hysterischer Stiefdad hatten das große Schreien gekriegt, als er und sein Kumpel Greg damit angekommen waren, aber Eltern hatten sowieso nie ’ne Ahnung, was gerade angesagt war. Die Tattoos kamen voll gut, »Tribal Native«-Motive auf den Oberarmen und ein kleines keltisches Labyrinth auf der Herzbrust. Jetzt, im Juli, war die beste Zeit dafür. Nicht in der Schule, da hatten die Lehrer was gegen. Aber nach Feierabend wurden die Goodies ausgepackt und den schnatternden Girlies vorgeführt.
    Seit einigen endlosen Tagen musste Luke den staubigen Weg zur Schule alleine gehen. Greg war angeschossen worden und lag im Krankenhaus. Irgendein Vollarsch hatte ihn umgenietet, als Greg gerade dabei gewesen war, über ein Auto zu skaten. Normalerweise ist so was überhaupt kein Problem, besonders nicht bei stehenden Wagen, aber durch den Schuss war Greg böse gestürzt und mit dem Nacken auf die Straße geschlagen. Die Ärzte hatten mit unbeteiligter Miene gesagt, dass es nicht sicher war, ob er »jemals wieder würde gehen können«. Die Pisser. Als ob »gehen können« etwas wäre, worauf ein guter Skater Wert legen würde.
    Luke hatte seinen besten Freund nur ein einziges Mal im Krankenhaus besucht. Das Krankenhaus war ein Ort des Todes, all die unbeweglichen und alten Leute dort, denen
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