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Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)

Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)

Titel: Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
Autoren: Falko Rademacher
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Hauptverdächtige im zweiten Fall. Und im dritten gab es nicht mal einen. Der Fall wurde mit der Zeit nicht leichter, sondern schwieriger. Das fand Lisa absolut nicht in Ordnung. Das war total unfair. Wer auch immer der Mörder war, sollte sich echt was schämen.
    Gut, es gab Spuren. Die Turnschuhabdrücke, na bitte. Ur-Berliner trieben ungern Sport, was bedeuten könnte, dass es sich um einen Zugezogenen handelte. Ein Zugezogener mit einem scharfen Schwert. Und der Fähigkeit, Türschlösser lautlos und schnell zu knacken. Warum nicht mal alle Schlosser Berlins, die nicht hier geboren wurden, zu Hause besuchen und fragen, wo er seinen Säbel versteckt hat? Ha, Rasterfahndung!
    Lisa musste grinsend an Sven denken, der im Dreieck gesprungen war, als sie ihm davon erzählt hatte. Dabei war er gar nicht wütend gewesen, sondern sogar eher belustigt. Die Unfähigkeit des BKA ließ ihn jubeln. Manchmal fragte sich Lisa, ob ein Hauptmerkmal des Linkssein darin bestand, sich zu freuen, wenn Straftäter entkamen. War jeder Verbrecher in linken Augen im Grunde ein Rebell gegen das System? Oder ein Opfer des Systems? Und wenn ja, welches Systems?
    Das war ungefähr dasselbe wie bei der Frage, was wichtiger war: Menschenrechte oder Tierschutz? Sven schien letzterem den Vorzug zu geben. Und damit schien er nicht der einzige zu sein. Es gab eine Kampagne einer Tierschutzorganisation, in der die Schrecken von Tiertransporten mit dem Horror des Holocausts gleichgesetzt wurden. So wurden die toten Juden auf eine Stufe gestellt mit toten Schweinen – weil man „keine Hierarchie unter Opfern akzeptiert“. Lisa fand das geschmacklos, aber Sven war begeistert, und aus seinem anschließenden Vortrag war deutlich rauszuhören, dass er Menschen grundsätzlich für weniger wertvoll hielt als Tiere. Es war merkwürdig, den Nazi-Hasser und Menschenrechtsverletzungsanprangerer Sven Konrad so reden zu hören, aber in seinem Kopf schien das alles Sinn zu machen. So stimmte er dem stellvertretenden PeTA-Boss Dan Mathews zu, der den Mörder von Gianni Versace als „wichtigste Persönlichkeit des Jahrhunderts“ bezeichnet hatte. Versace hatte auch Pelzmäntel entworfen.
    Da war wieder das Motiv vom Mord aus ideologischen Gründen. Versaces Mörder war freilich kein Tierschützer gewesen, sondern ein geisteskranker Serienkiller. Aber vielleicht war das Tolerieren oder Gutheißen eines Mordes an jemanden, den man als wertlos ansah, die Vorstufe zu dem Entschluss, selber mal zur Waffe zu greifen? Voraussetzung war lediglich ein übersteigertes Maß an Selbstgerechtigkeit und natürlich eine gehörige Portion Wahnsinn. So wie bei dem Mörder dieses niederländischen Politikers, wie hieß der noch? Lisa konnte sich den Namen des sonderbaren Killers nicht merken, aber sie wusste, dass auch er Tierschützer war und vom Spiegel als „käsiger Inquisitor mit Ärmelschonern“ bezeichnet wurde.
    Lisa riss sich fort aus diesen Gedanken, die nur vom Thema ablenkten, und wandte sich wieder ihrer äußerst überschaubaren Grafik zu. Mal einfach gefragt, Frau Kommissar: Wer hat die drei Opfer gekannt?
    Nun, Fechner war jedem Zeitungsleser in Berlin bekannt, und das war vermutlich sogar eine vierstellige Zahl an Menschen, wenn man die rausrechnete, die nur den Sportteil lasen. Charlie Sander war ein Name, den die Leser des Volksmunds täglich lasen. Fritz Krumm jedoch dürfte lediglich Kollegen und Nachbarn noch ein Begriff gewesen sein, immerhin lag sein Fall schon eine Weile zurück, und das Namensgedächtnis der Menschen ist begrenzt. Neulich hatte Lisa irgendwo den Namen Nils Bokelberg gehört, aber sie konnte sich absolut nicht mehr erinnern, wer das war. Sie wusste nur noch, dass sie den Kerl wohl irgendwie scheiße gefunden haben musste. Warum? Keine Ahnung.
    Das funkelnagelneue Telefon auf Christianes Schreibtisch klingelte. Lisa ärgerte sich ein wenig, dass sie noch mit einem hässlichen Ding hantieren musste, aber sie ging trotzdem dran. Es war Fabian.
    „ Bleibst du noch länger weg?“
    „ Wieso, brauchst du mich?“
    „ Nö, wozu das denn? Aber ich dachte, wir machen zusammen die Kantine unsicher.“
    „ Okay, in einer Stunde unten.“
    Sie legte auf. Um die Verabredung nicht zu vergessen, schrieb sie „Fabian“ auf das Blatt, auf dem schon die anderen Namen standen. Dann runzelte sie die Stirn und starrte auf das Papier, als hätte sie es noch nie zuvor gesehen.
    Sie nahm den Stift wieder in die Hand und schrieb ihren eigenen Namen
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