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Hafen der Träume: Roman (German Edition)

Hafen der Träume: Roman (German Edition)

Titel: Hafen der Träume: Roman (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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Licht drang durch seine geschlossenen Lider. Und er schwebte, während um ihn herum von allen Seiten Rufe ertönten.
    Schussverletzungen, Brust. Blutdruck achtzig zu fünfzig, fallend. Puls flach und schnell. Setzt aus. Kommt wieder. Pupillen gut. Blutgruppe bestimmen. Wir brauchen Aufnahmen. Auf drei. Schnell.
    Phillip schien unwillkürlich in die Höhe zu schnellen, dann sackte er wieder zusammen. Alles war ihm gleichgültig geworden. Selbst das schmuddelige rote Licht hatte sich in Grau verwandelt. Ein Schlauch wurde
in seinen Schlund geschoben, aber Phillip versuchte nicht einmal mehr, sich durch Husten dagegen zu wehren. Er spürte den Fremdkörper kaum. Überhaupt spürte er kaum noch etwas, und dafür dankte er Gott.
    Blutdruck sinkt. Wir verlieren ihn.
    Verloren war ich schon immer, dachte Phillip.
    Mit geringem Interesse beobachtete er das halbe Dutzend grün gekleideter Menschen in dem kleinen Raum. Sie standen um den hoch gewachsenen blonden Jungen versammelt, der auf einem Tisch lag. Überall war Blut. Sein Blut, erkannte Phillip. Er war es, der auf diesem Tisch lag, mit geöffneter Brust. Distanziert und gleichzeitig voller Sympathie blickte Phillip an sich herab. Keine Schmerzen mehr. Das ruhige Gefühl der Erleichterung ließ ihn beinahe lächeln.
    Dann schwebte er höher hinauf, bis die Szene unter ihm mattweiß zu verschwimmen begann und die Geräusche nur noch Echos zu sein schienen.
    Plötzlich durchfuhr ihn ein Schmerz. Die Gestalt auf dem Tisch bäumte sich auf, wie unter Schock. Phillip wollte sich entziehen, aber seine Gegenwehr war kurz und zwecklos. Er befand sich wieder in seinem Körper. Das Empfindungsvermögen kehrte zurück und damit die Verlorenheit.
    Als Nächstes erinnerte sich Phillip, dass er, halbbetäubt dahindämmernd, seine Umgebung wie durch einen Schleier wahrnahm. Jemand schnarchte. Im Zimmer war es dunkel, und er lag auf einem schmalen, harten Bett. Durch eine mit Fingerabdrücken verschmierte Glasscheibe drang Licht herein. Geräte piepsten und gaben regelmäßige saugende Töne von sich. Um den Geräuschen zu entkommen, ließ sich Phillip erneut in die Tiefe sinken.
    Zwei Tage dauerte der Schwebezustand. Er hatte sehr viel Glück gehabt. So sagte man ihm jedenfalls. An seinem Bett standen eine hübsche Krankenschwester
mit müden Augen und ein Arzt, schmallippig und mit ergrautem Haar. Phillip glaubte ihnen kein Wort. Nicht, solange er sich sogar zu schwach fühlte, den Kopf zu heben, und ihn alle zwei Stunden mit der Verlässlichkeit eines Uhrwerks erneut dieser brüllende Schmerz überfiel.
    Als die beiden Bullen hereinkamen, lag er wach, und seine Schmerzen waren durch Morphium gemildert. Dass es Polizisten waren, erkannte Phillip auf den ersten Blick. Trotz der Betäubungsmittel funktionierten seine Instinkte gut genug, dass er den Gang, das Schuhwerk und den Ausdruck ihrer Augen einordnen konnte. Den Blick auf die Erkennungsmarken, die sie ihm hinhielten, sparte er sich.
    »Krieg ich ’ne Zigarette?« Diese Frage stellte Phillip jedem, der ins Zimmer kam. Der Nikotinmangel machte sich als ständig bohrende Gier bemerkbar, dabei wusste Phillip nicht einmal, ob er überhaupt fähig war, auch nur einen Zug zu machen.
    Der erste Beamte setzte ein onkelhaftes Lächeln auf und trat neben das Bett. »Du bist zu jung zum Rauchen.«
    Aha, der gute Bulle, dachte Phillip müde. »Ich werde mit jeder Minute älter.«
    »Du kannst froh sein, dass du noch lebst.« Das Gesicht des zweiten Polizisten blieb hart, als er sein Notizbuch aus der Tasche zog.
    Er war der böse Bulle, beschloss Phillip. Die Beobachtung amüsierte ihn beinahe.
    »Das kriege ich die ganze Zeit zu hören. Was, zum Henker, ist denn passiert?«
    »Das wollen wir von dir erfahren.« Der böse Bulle hielt den Stift über die aufgeschlagene Seite seines Notizbuches.
    »Man hat mich mit ’ner Knarre niedergeschossen, verdammt.«
    »Was hattest du in dieser Straße zu suchen?«
    »Ich war auf dem Weg nach Hause.« Phillip hatte bereits entschieden, wie er seine Rolle spielen wollte, und schloss die Augen. »Genau kann ich mich nicht erinnern. Ich kam … aus dem Kino?« Er hob die Stimme, als stellte er sich die Frage selbst, und öffnete die Augen wieder. Der böse Bulle nahm ihm das offenbar nicht ab, aber was sollten die beiden machen?
    »Welchen Film hast du gesehen? Wer war bei dir?«
    »Hören Sie zu, ich weiß es nicht. Alles ist durcheinander. Ich ging über die Straße, und im nächsten Moment lag ich da,
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