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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter
Autoren: Hölderlin
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Prüfling, Bilfingers Sohn, Carl Christoph, den er beruhigt: ’S isch alles halb so schlimm. Glaub mir’s.
    Kraz fragt ab.
    Dich muß ich in Griechisch nicht prüfen. Da bist du der Erste.
    Bis jetzt, sagt er.
    Du bist ein arger Schwarzseher.
    Er lehnt sich zurück. Ich lasse ihn sich an seine erste Reise erinnern. Oft wird er reisen. Er genießt die Angst vor dem Unbekannten. Sie waren zur Großmutter und zur Tante nach Löchgau gereist, die Mutter, Heinrike und er. Sie hatten spielen dürfen, was ihnen beliebte, im Garten, es war im April gewesen, erst vor drei Jahren, sie wurden gehätschelt, alles war ihnen gestattet. Man stopfte sie mit Gebäck, eine Zeitlang war ihm übel.
    Morgen gehen wir nach Markgröningen hinüber, hatte die Mutter gesagt.
    Ist es weit?
    Es sei ein angenehmer Fußweg.
    Aber dann war es doch weit, er trottete hinter Mutter und Schwester, grollte in sich hinein.
    Du solltest dir ein Vorbild an der Rike nehmen, Fritz.
    Des will i aber net.
    Dann laß es und lauf.
    Wieder wurden sie reich bewirtet, spielten mit anderen Kindern im Haus, die Mutter unterhielt sich mit Tante und Onkel Volmar und anderen Erwachsenen, darunter einem ständig schnaufenden Aufschneider, von dem man ihm sagte, es sei der Schreiber Blum.
    Der tut sich aber wichtig, flüsterte er der Mutter ins Ohr.
    Der braucht’s halt, flüstert sie zurück.
    Beim Mittagessen saßen sie mit am großen Tisch, mußten nicht schweigen. Onkel Volmar unterhielt sie mit lustigen Geschichten aus dem Oberamt.
    Er hörte, wie sie über ihn sprachen: Das Kind sei viel zu ernst für sein Alter. Schließlich habe der Fritz schon viel Schlimmes erfahren müssen. Er solle Pfarrer werden. Das sagt die Mutter. Wie ist er denn auf der Schule? Er kommt gut voran; sein Griechisch rühmt man sogar. Ja, wenn der Diakon Köstlin ihm beisteht, dann! Ich will, daß es ihm an nichts fehle. Im Grunde ist er doch noch ein rechtes Kind. Kränkelt er denn nicht? Er hat so eine bleiche Haut? Die ist ihm von Natur gegeben.
    Weil es regnet, ziehen sie sich mit den Volmar-Kindern auf den Dachboden zurück.
    Macht euch nicht so dreckig.
    Sie kriechen unter die Balken, verstecken sich, lauschen auf den Atem suchender »Gendarmen«, lachen, wenn sie der Staub zum Husten oder zum Niesen bringt.
    Es ist Zeit! wird gerufen.
    Noch ein kleines bißchen.
    No a bißle.
    Wir müssen aufbrechen, sonst kommen wir in die Nacht. Tante Volmar klagt, jetzt hätten sie sich da oben arg dreckig gemacht. Johanna Gok sagt zornig: Das wäscht derRegen den Kindern schon aus dem Gesicht. Sie wundert sich über den entschiedenen Widerstand ihres Sohnes. Bei dem Sauwetter mach i koin Schritt, sagt er.
    So rede man nicht mit seiner Mutter.
    Aber ’s isch doch wahr.
    Wahr sei es zwar, doch er habe sich höflich gegen seine Eltern zu benehmen.
    Volmars redeten auf Johanna Gok ein, und sie beschloß, mit den Kindern hier zu übernachten.
    Die Kinder umarmten sich, so sei es richtig, da könne man noch eine Weile weiterspielen.
    Er durfte bei seinem Vetter im Bett schlafen. Sie erzählten sich, bis ihnen die Augen zufielen, »wüste Geschichten«.
    Am anderen Morgen, sehr früh, verabschiedeten sie sich; die Mutter hatte, da sich das Wetter nicht gebessert hatte, eine Kutsche gemietet. Die Volmarschen Kinder liefen ein Stück nebenher, auch der Schreiber, dessen unverhohlen neugieriger Blick den Buben ärgerte.
    Den mag i net.
    Sei ruhig, solche Urteile gehören sich nicht.
    Er machte die Augen zu, dachte, daß die Reise kein Ende nehmen solle. Immer so weiter.
    Schläfscht du?
    Noi.
    Für den Schreiber Blum war der Besuch der Kammerrätin Gok durchaus eine Sensation gewesen; er notierte in seinem Tagebuch: »Vergangenen Samstag machte die verw: Frau KammerRath Gokin, mit ihren 2 Kindern, in erster Ehe mit dem verst: HE: Klosterhofmeister Hölderlen zu Lauffen, einem Bruder der Frau Ober-Amtmännin erzeugt, hier Besuch. Sie kam von Sachsenheimaus zu Fus hieher und wolte gestern wieder dahin zurük; weil es aber regnerisch Wetter war, und ihre beede Kinder nicht fort wolten, so blieb sie auf zureden des HE: Ober-Amtmans noch heute über Nacht. Diesen Vormittag aber lies sie sich nicht länger mehr aufhalten, sondern sie bestelte wegen des üblen Wetters Miethpferde und entlehnte eine Kutsche und fuhr wieder fort. Sie ist eine junge schöne Witwe von ungefähr 26–28 Jaren; voller Anmuth und scheint sehr vernünftig zu seyn. Ihre Kinder ein Knäblein von 11 und 1. Mägdlein von 8. Jaren sind
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